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10.05.2022

Ein Leben nach dem Zyklus: Wie Brennelemente zur Endlagerforschung beitragen

Gamma Bestrahlungsanlage Gamma Bestrahlungsanlage Die Bestrahlungskapsel wird vorsichtig in das Brennelement im Abklingbecken hinabgelassen. © MLZ

Die Bestrahlungskapsel wird vorsichtig in das Brennelement im Abklingbecken hinabgelassen. © MLZ

Die letzte Etappe für jedes Brennelement an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) ist das Abklingbecken. Hier wartet es mehrere Jahre auf seinen Weitertransport. Ein Forschungsteam nutzt die verbliebene Energie jedoch für wertvolle Untersuchungen, etwa von Salzkristallen für die Endlagerung radioaktiver Abfälle – und träumt von Anwendungen im großen Stil.

Der Lebenszyklus eines FRM II-Brennelements beginnt in Frankreich: hier walzt der Hersteller aus frischem Uran-Silizium-Pulver dünne Platten und presst sie in einen sogenannten Aluminium-Sandwich. 113 solcher Platten ergeben ein Brennelement in Form eines Hohlzylinders. Mit Spezialfahrzeugen gelangt das frische Brennelement nach Garching.

An der Forschungs-Neutronenquelle beginnt schließlich das aktive Leben des Brennelements. 60 Tage lang liefert es hier Neutronen, die sich Forschende zunutze machen. Von der Entstehung des Universums bis zur Verbesserung mRNA-basierter Medikamente: das Anwendungsgebiet von Neutronen ist groß.

Abgebrannt aber nicht ausgedient

Nach einem vollen Zyklus endet das Brennelement im Abklingbecken. Das Wasser darin schützt vor der Strahlung. Hier wird das abgebrannte Brennelement für mindestens 6,5 Jahre in einem Gestell aufbewahrt, bevor der Weitertransport in das Zwischenlager möglich ist.

Gammabestrahlungsanlage Gammabestrahlungsanlage Sophie Bulla (links), Systemverantwortliche Ingenieurin der Bestrahlungsanlagen, Dr. Xiaosong Li (hinten), beteiligt am Bau der Anlage und Bestrahlungsoperateur Jens Molch (rechts) an der Gammabestrahlungsanlage. © MLZ

Sophie Bulla (links), Systemverantwortliche Ingenieurin der Bestrahlungsanlagen, Dr. Xiaosong Li (hinten), beteiligt am Bau der Anlage und Bestrahlungsoperateur Jens Molch (rechts) an der Gammabestrahlungsanlage. © MLZ

Doch auch das abgebrannte Brennelement dient der Forschung, denn es gibt weiterhin Energie in Form von Gammastrahlung ab. Im Jahr 2009 bauten Forschende des FRM II zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der RWTH Aachen deshalb eine Gammabestrahlungsanlage. Diese wurde 2014 von TÜV begutachtet und in Betrieb genommen.

Die Anlage besteht im Wesentlichen aus einer isolierten Kapsel, die Platz für Proben von bis zu 70 cm Länge und 7,6 cm Durchmesser bietet. Die Kapsel wird in den Hohlraum in der Mitte des Brennelements hinabgelassen. Da die Strahlung darin nicht homogen verteilt ist, können Forschende allein durch die Positionierung die Dosis regulieren. Auch die Temperatur in der Kapsel können sie bei Bedarf zwischen 30 und 150°C anpassen.

Forschung zu Endlagerstätten

Die Gammabestrahlungsanlage entstand im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützten Projekts von Prof. Dr. Janos Urai der RWTH Aachen. Hauptziel war die Untersuchung von Mikrostrukturen in Steinsalzkristallen, wie sie in Salzstöcken vorkommen.

Mikrostruktur Salzkristalle Mikrostruktur Salzkristalle Mikrostruktur von Salzkristallen, sichtbar gemacht durch die Gammabestrahlung. © Schieder & Urai

Mikrostruktur von Salzkristallen, sichtbar gemacht durch die Gammabestrahlung. © Schieder & Urai

Salzstöcke sind ein wichtiger Kandidat bei der Suche nach einem geologischen Endlager für radioaktive Abfälle und werden bereits für chemische Abfälle benutzt. „Ein genaues Verständnis der Fließeigenschaften und Deformationsprozesse des Steinsalzes ist entscheidend für die Vorhersage der Stabilität solcher Lagerstätten in der Langzeitperspektive“, erklärt der Physiker Dr. Vladimir Hutanu, Mitarbeiter des Fachbereichs Bestrahlung und Quellen am FRM II.

So konnten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der RWTH Aachen mithilfe von Bestrahlungsexperimenten endlich erklären, warum sich Laboruntersuchungen zur Rekristallisierung von Salz nicht direkt auf die Dynamik im Salzstock übertragen ließen: Es liegt am Wasser, das als Salzlake in natürlichen Salzmineralien enthalten ist und sich in Poren und an Korngrenzen sammelt. Diese Mikrostruktur bestimmt maßgeblich die Stabilität des Materials, ist aber unter dem Mikroskop nicht sichtbar.

Nach der Bestrahlung mit hochenergetischen Gammastrahlen bilden sich im Mineralinneren kleine Defekte, sogenannte Farbzentren. Das durchsichtige Salz wird so blau, eingeschlossenes Wasser aber nicht. Die Forschenden können dann die Mikrostruktur, das versteckte Wasser im Salz, unter dem Mikroskop erkennen.

Weitere Ideen willkommen

„Unsere Anlage ist einzigartig und speziell“, schwärmt Hutanu und zählt weitere mögliche Anwendungen auf. Die Untersuchung von Baumaterialien hinsichtlich ihrer Stabilität beispielsweise oder von Polymeren hinsichtlich ihrer Elastizität, die Bestrahlung von biologischen Zellen, um Mutationen im Erbgut aufzuspüren, die Sterilisation medizinischer Implantate oder die Erprobung der Strahlungsresistenz elektronischer Komponenten.

Insgesamt haben 50 Brennelemente im Abklingbecken Platz, bisher gibt es nur eine Gammabestrahlungsanlage. Doch Hutanu hat ambitionierte Pläne: „Ich könnte mir vorstellen, dass wir zukünftig weitere solcher Bestrahlungsanlagen und mehrere Brennelemente gleichzeitig nutzen.“ Auch Florian Jeschke, stellvertretender Technischer Direktor des FRM II, bekräftigt: „Wir sind an der Zusammenarbeit mit neuen potenziellen Nutzern dieser Anlage immer interessiert.“

Weitere Informationen:

Kontakt:
Dr. Vladimir Hutanu
Vladimir.hutanu@frm2.tum.de

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