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3D-Drucker im Einsatz für die Wissenschaft
Wer die Forschungs-Neutronenquelle schon gesehen hat, weiß, dass hier große Maschinen und komplexe Messinstrumente neben den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern arbeiten, die diese Geräte gebaut haben. Ein paar hundert Meter von den großen Messinstrumenten entfernt, in einem würfelförmigen Gebäude, in einem kleinen Büro im dritten Stock surrt ein ganz normaler 3D-Drucker vor sich hin.
Unter seinem Tisch stapeln sich auf Spulen aufgerollt 100 kg an bunten, dünnen Kunststofffäden. Sie dienen dem 3D-Drucker als Futter. Dieses sogenannte Filament ist besonders, denn es ist eigens für die Neutronenquelle hergestellt. Es enthält Bornitrid und eignet sich damit besonders gut als Neutronenabschirmung. Denn Bor kann ein Neutron verschlucken und zerfällt dann in harmloses Lithium, ein α-Teilchen und etwas Energie.
Bor verschluckt Neutronen
Bei Messungen ist es besonders wichtig, dass Neutronen außerhalb der Detektorflächen nicht auf die empfindlichen Messgeräte treffen. Das verfälscht die Messung oder kann sogar die Messgeräte schädigen. Außerdem können Neutronen Metallbauteile aktivieren und somit die Strahlenbelastung für die Forschenden erhöhen. All das verhindert eine Abschirmung, die z.B. Bor enthält. So wie die knallorange Abschirmung am Instrument ANTARES: Sie hält ungewünschte Neutronen ab und schützt das darunterliegende metallene Bauteil.
Bei ihrer Herstellung kommt der unermüdliche FDM-Drucker zum Einsatz, denn es ist günstiger mit Filament zu drucken, als die Abschirmung aus einem Block Vollmaterial zu fräsen. „Und der Drucker arbeitet immer weiter, auch wenn wir in den Feierabend gehen“, fügt Tobias Neuwirth hinzu, der das besondere Filament mitentwickelt hat.
3D-Druck fällt eigentlich unter den Begriff „Additive Fertigung“. Bei dieser Fertigungsmethode trägt die Maschine mehr Material auf, anstatt es, wie beim Fräsen, abzutragen. Hier geht es speziell um Fused Deposition Modeling (FDM), bei dem der Drucker einen langen Kunststofffaden, das Filament, durch eine Düse aufschmilzt und Schicht für Schicht ein Bauteil aufbaut. Im Video links ist der Prozess im Zeitraffer zu sehen.
Von flexibler Blende bis zum Fermi-Chopper
Für eine verstellbare Blende hat der Drucker etwa zwei Tage durchgedruckt. Die Blende funktioniert wie die Blende einer Kamera. Durch eine Drehbewegung vergrößert und verkleinert Tobias Neuwirth die Öffnung der Blende. „Ich habe sie selbst konstruiert. Da musste ich mich erst einlesen, wie der Schließmechanismus bei der Kamera funktioniert“, erzählt er. Im Einsatz an den Messinstrumenten kann über die Blende die Größe des Neutronenstrahls angepasst werden. Das funktioniert ähnlich wie die Blende einer Kamera, die das einfallende Licht reduziert. Außerdem lässt sich die Blende besonders geschmeidig öffnen und schließen. „Das liegt an der schmierenden Wirkung von Bornitrid“, erklärt Tobias Neuwirth, der seine Doktorarbeit an der Radiographieanlage ANTARES des MLZ macht.
Die Blende besteht ausschließlich aus 3D-gedruckten Bauteilen und hat innen nicht die sonst üblichen Füllstrukturen. Um Filament zu sparen, füllt der 3D-Drucker normalerweise Bauteile mit Gitterstrukturen. Hier an der Neutronenquelle sind die Bauteile statt mit Füllstrukturen mit dem borierten Kunststoff gefüllt, denn je massiver die Abschirmung, desto weniger Neutronen kommen durch.
3D-Druck für die Wissenschaft
Tobias Neuwirth zeigt auch einen leuchtend orangenen Fermi-Chopper, mit dem man das Neutronenspektrum bestimmen kann. Die Forschenden lassen den schweren Zylinder im Neutronenstrahl schnell drehen und teilen den Neutronenstrahl so in kurze Blitze. Die Forschenden messen die Zeit, die die Neutronen vom Chopper zum Detektor brauchen und bestimmen daraus die Energie der anfliegenden Neutronen. Hier sind die Vorteile des 3D-Drucks besonders deutlich: Durch den massiven Zylinder führen 684 filigrane Kanäle mit einem Durchmesser kleiner als 1 mm. Anders hätte man den Fermi-Chopper nicht so einfach fertigen können.
Wissenschaft ist nicht nur die geniale Erkenntnis nach einem Experiment. Wissenschaft ist, das Messinstrument für das Experiment zu bauen. Wissenschaft ist auch, die Blende für das Messinstrument zu konstruieren. Und natürlich erst einmal, das Filament zu erfinden, das sich rollenweise unter einem Bürotisch im dritten Stock des Containerbaus stapelt.
Die 3D-gedruckte Blende lässt sich durch das Bornitrid besonders geschmeidig öffnen und schließen (l.). © FRM II / TUM Tobias Neuwirth erklärt die Einsatzmöglichkeiten des Neutronen absorbierenden Filaments (Mi.). © FRM II / TUM Der Fermi-Chopper aus dem borierten Filament liegt fertig im Druckbett (r.). © Tobias Neuwirth, FRM II / TUM
Zum selbst drucken: Ein Neutron mit Spin sitzt auf dem Modell vom Atom-Ei. © Tobias Neuwirth FRM II / TUM
Mehr Informationen:
Ein Modell von einem Neutron, welches Tobias Neuwirth in seiner Freizeit erstellt hat, können sich alle weiter unten im Downloadbereich herunterladen und auf dem eigenen 3D-Drucker drucken. Lizenz: Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International (CC BY-NC-SA 4.0) https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/
Kontakt:
Tobias Neuwirth
Technische Universität München
Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ)
Instrument ANTARES
Tel.: +49 89 289 11754
E-Mail: Tobias.Neuwirth@frm2.tum.de
Simon Sebold
Technische Universität München
Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ)
Instrument ANTARES
Tel.: +49 89 289 14641
E-Mail: Simon.Sebold@frm2.tum.de
Download der Druckdaten “Neutron auf dem Atom-Ei” als .stl
Elene Mamaladze
Presse- und Öffentlich-
keitsarbeit
FRM II
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