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11.03.2025

Was Hochdruckexperimente mit Neutronen über den Abbau von Mikroplastik verraten

Hoher Druck beeinflusst maßgeblich die Bindung von Wasser mit Polymeren und Phasentrennungsprozesse. Neue Untersuchungen eines deutsch-amerikanischen Forscherteams am KWS-3 Instrument des MLZ zeigen die verschiedenen Arten der Bildung von Partikeln aus Polymeren sowie deren Zerfalls. Sie fanden heraus, dass mit Hilfe von Druck die Wechselwirkungen zwischen Wasser und Polymeren gesteuert werden können, was auch für den Abbauprozess von Mikroplastik von Interesse ist.

Frmnews fig1 r Frmnews fig1 r Temperatur-Druck-Phasendiagramm von PNIPAM in wässriger Lösung und Arten des Wachstums der Partikel bei Erhöhung des Drucks. Bei hohen Temperaturen führt der Übergang (rote Linie) zur Quellung der PNIPAM-Partikel (Swelling), während bei niedrigen Temperaturen eine Koaleszenz der Aggregate beobachtet wird. © Christine M. Papadakis

Temperatur-Druck-Phasendiagramm von PNIPAM in wässriger Lösung und Arten des Wachstums der Partikel bei Erhöhung des Drucks. Bei hohen Temperaturen führt der Übergang (rote Linie) zur Quellung der PNIPAM-Partikel (Swelling), während bei niedrigen Temperaturen eine Koaleszenz der Aggregate beobachtet wird. © Christine M. Papadakis

Auswirkungen von hohem Druck auf Partikelbildung
Thermoresponsive Polymere sind langkettige Moleküle aus sich wiederholenden Einheiten, deren Eigenschaften sich abrupt mit der Temperatur ändern. Das führt in wässriger Lösung zu einem plötzlichen Zusammenziehen der Kette und einer Phasentrennung. Das Anlegen von Hochdruck beeinflusst das Phasenverhalten solcher Polymerlösungen stark. Ein gut untersuchter Prototyp ist Poly(N-isopropylacrylamid) (PNIPAM) mit einer Phasenübergangstemperatur von ~ 32°C.

Hpc-sample Hpc-sample Blick auf die Probe in der Hochdruckzelle des VSANS Instruments KWS-3. © Vitaliy Pipich

Blick auf die Probe in der Hochdruckzelle des VSANS Instruments KWS-3. © Vitaliy Pipich

Das Team unter der Leitung von Prof. Christine M. Papadakis von der TUM School of Natural Sciences der Technischen Universität München (TUM) und Prof. Dr. Alfons Schulte , University of Central Florida , USA, hat untersucht, wie sich hoher Druck auf die Aggregation der Polymere und den Zerfall der so entstandenen Partikel auswirkt. Unterhalb der Phasenübergangstemperatur ist PNIPAM hydrophil und wasserlöslich, wohingegen es oberhalb hydrophob wird und sich die Polymere stark zusammenziehen. Mehrere PNIPAM-Ketten bilden die sogenannten „mesoglobules“, d. h. langlebige Partikel mit Größen im Sub-Mikrometerbereich. „Diese faszinierende Eigenschaft macht PNIPAM zu einem idealen System für Untersuchungen der Bildung und des Zerfalls dieser Partikel“, sagt Christine M. Papadakis.

Druck verändert Wassergehalt
Die Neutronenstreuexperimente zeigen, dass hoher Druck die Bindung von Wasser an die Polymere und somit den Wassergehalt der Partikel verändert: Diese sind bei Atmosphärendruck klein und kompakt, werden aber bei hohem Druck groß und wasserreich. Mit Hilfe der Neutronenstreuung unter sehr kleinen Winkeln (VSANS) charakterisierte das Team den Übergang zwischen diesen Zuständen und identifizierte eine Übergangslinie, die den Niederdruck- vom Hochdruckbereich trennt, was einen wichtigen Test für Computersimulationen darstellt.

Img 1610 kl fig2 dr vitaliy pipich co-autor einer studie und instrumentverantwortlicher an der kws-3 des forschungszentrums juelich Img 1610 kl fig2 dr vitaliy pipich co-autor einer studie und instrumentverantwortlicher an der kws-3 des forschungszentrums juelich Dr. Vitaliy Pipich, Koautor der Studie und Instrumentenwissenschaftler am Instrument KWS-3 des Forschungszentrums Jülich. © Bernhard Ludewig, FRM II / TUM

Dr. Vitaliy Pipich, Koautor der Studie und Instrumentenwissenschaftler am Instrument KWS-3 des Forschungszentrums Jülich. © Bernhard Ludewig, FRM II / TUM

Detaillierte Einblicke in die Strukturen
Neutronenstreuexperimente, insbesondere am VSANS-Instrument KWS-3 des Forschungszentrums Jülich am MLZ, zeigten, dass der Übergang der Eigenschaften der Partikel bei Drücken vom etwa 500-fachen des Atmosphärendrucks stattfindet. „KWS-3 ist hier einzigartig, da Größe und Form auf der Mikrometer-Längenskala zerstörungsfrei untersucht werden können“, sagt Alfons Schulte. Bei hohen Temperaturen erfolgt der Übergang hauptsächlich durch Quellung der Partikel, während die Partikel bei niedrigen Temperaturen durch Koaleszenz miteinander verschmelzen. Die Neutronenexperimente zeigten, dass dieses Verhalten eng mit dem Wassergehalt der Partikel und somit mit der Beweglichkeit der Polymerketten verknüpft ist. Wird der Druck wieder gesenkt, kann es lange dauern, bis sich die Partikel auflösen, da sich die Ketten erst wieder entflechten müssen.

Bedeutung für Abbauprozesse von Mikroplastik
Die Bildung und der Zerfall von Aggregaten aus Polymeren sind hochgradig relevant für Anwendungen. „Solche Mechanismen können eine zentrale Rolle beim Abbau von Mikroplastik im Meer oder im Körper spielen“, so Christine M. Papadakis. Druck- und Temperaturveränderungen können einen erheblichen Einfluss auf die Stabilität, also den Abbauprozess von Mikroplastik in wässriger Umgebung haben.

Die Arbeit geht über frühere Studien hinaus, da die strukturellen Änderungen in situ erforscht wurden und mit den molekularen Wechselwirkungen verknüpft werden konnten. Sie eröffnet einen neuen Ansatz für die Charakterisierung komplexerer Systeme, etwa für den Einsatz polymerer Nanopartikel für den medizinischen Wirkstofftransport oder die Optimierung des Recyclings von Plastik.

Originalpublikationen:
Bart-Jan Niebuur, Vitaliy Pipich, Marie-Sousai Appavou, Dharani Mullapudi, Alec Nieth, Eric Rende, Alfons Schulte, and Christine M. Papadakis:
PNIPAM Mesoglobules in Dependence on Pressure
Langmuir 40 (42), 22314, (2024)
https://doi.org/10.1021/acs.langmuir.4c02952

Christine M. Papadakis, Bart-Jan Niebuur, and Alfons Schulte
Thermoresponsive Polymers under Pressure with a Focus on Poly(N-isopropylacrylamide) (PNIPAM)
Langmuir 40 (1), 1 (2024)
https://doi.org/10.1021/acs.langmuir.3c02398

Weitere Informationen:
Forschende der Technischen Universität München (TUM), des Forschungszentrums Jülich und des Heinz Maier-Leibnitz Zentrums (MLZ) in Garching haben mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Department of Physics und des College of Optics and Photonics an der University of Central Florida zusammengearbeitet. Diese Arbeit wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Kontakt:
Prof. Christine M. Papadakis, Ph.D.
Fachgebiet Physik weicher Materie
TUM School of Natural Sciences
Technical University of Munich
James-Franck-Str. 1, 85747 Garching
Tel.: +49 89 289 12447 – E-Mail: papadakis(at)tum.de

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