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19.07.2022
Unordnung muss sein
Unordnung in der Struktur des Elektrolytmaterials führt zu einer höheren Leistung der Batterie. © Reiner Müller, FRM II / TUM
Neue Festkörperbatterien versprechen, mehr Energie zu liefern als ihre konventionellen Schwestern mit flüssigen Elektrolyten und sind wegen ihrer höheren Reichweiten für die E-Mobilität interessant. Eine Studie mit Neutronen am MLZ schlägt vor, einen festen Elektrolyten zu entwickeln und dabei die Unordnung des Materials absichtlich zu belassen. Das führt zu einer höheren Leistung der Batterie.
In jüngster Zeit haben Lithium-Thiophosphate als Material für Festkörperbatterien an Aufmerksamkeit gewonnen, weil sie mechanisch weich und daher leicht zu verarbeiten sind. Sie weisen eine hohe elektrolytische Leitfähigkeit auf, was bedeutet, dass der Lithiumaustausch und -transfer leichter abläuft.
Springen zwischen Käfigen aus Lithium
Die Ionenleitfähigkeit des Materials hängt stark von der strukturellen Unordnung der negativ geladenen Brom- und Schwefel-Ionen ab. Es war bislang jedoch nicht ganz klar, ob und wie sich diese Unordnung auf die Verteilung des Lithiums auswirkt und wie sie mit dem Transport des Lithiums zusammenhängt, der für die Verbesserung der Leitfähigkeit entscheidend ist. Die strukturelle Unordnung nimmt mit steigender Herstellungstemperatur zu. Den Zustand der Unordnung haben Forschende nun mit Hilfe neuer Abkühlungstechniken eingefroren. Frühere Studien hatten untersucht, wie sich die chemische Zusammensetzung bei steigender Temperatur verändert. Die chemische Zusammensetzung hätte aber auch die Ordnung der Ionen beeinflussen können. Dank der neuen Abkühlungstechnik ist es nun möglich, die chemische Zusammensetzung und die Unordnung der geladenen Atome unabhängig voneinander zu betrachten.
Dr. Anatoliy Senyshyn untersuchte die Proben des Materials für Festkörperbatterien am Strukturpulverdiffraktometer SPODI des MLZ. © Bernhard Ludewig, FRM II / TUM
Forschende der Universitäten Giessen, Darmstadt und Münster untersuchten das neu hergestellte und abgekühlte Material am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) mit Hilfe von Neutronen. Sie zeigten, dass sich die Unordnung auf atomarer Ebene direkt auf die Lithium-Ionen auswirkt. “Die positiv geladenen Lithium-Ionen springen zwischen so genannten Käfigen aus gebündelten Lithium-Ionen hin und her. Bei größerer Unordnung verringern sich die Sprungabstände, gleichzeitig dehnen sich die Lithiumkäfige aus und schaffen so mehr Raum für die Diffusion der Lithium-Ionen und erhöhen die Ionenleitfähigkeit”, erklärt Dr. Anatoliy Senyshyn, Instrumentenwissenschaftler am MLZ-Pulverdiffraktometer SPODI.
Unordnung erhöht Leitfähigkeit um das Vierfache
Je größer die Unordnung, desto mehr Lithium ist also in der Batterie verteilt und desto kürzer die Abstände zwischen den positiv geladenen Lithium-Ionen. Dies kann zu einer Vervierfachung der Leitfähigkeit führen, haben die Forschenden herausgefunden. „Und höhere Leitfähigkeit bedeutet bessere Leistung, geringeren Innenwiderstand und eine geringere Betriebsbelastung der gesamten Batterie“, fasst Anatoliy Senyshyn zusammen.
Originalpublikation
A. Gautam, M. Sadowski, M. Ghidiu, N. Minafra, A. Senyshyn, K. Albe, W. G. Zeier, Engineering the Site-Disorder and Lithium Distribution in the Lithium Superionic Argyrodite Li6PS5Br, Adv. Energy Mater., 11, 2003369 (2021)
Weitere Informationen:
An den Forschungsarbeiten waren neben Wissenschaftlern der Technischen Universität München auch Forschende der Universitäten Giessen, Darmstadt und Münster beteiligt.
Gefördert wurde die Studie vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innterhalb des Projekts FESTBATT unter den Fördernummern 03XP0177A und 03XP0174A.
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