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02.12.2019

Schwingen wie eine Trommel oder Stimmgabel

Schwingen wie eine Trommel oder Stimmgabel Schwingen wie eine Trommel oder Stimmgabel Nach der bisherigen Störungstheorie müsste die Frequenzbreite der Schwingungen (Energie E) mit steigender Temperatur T gleichmäßig zunehmen. Die Anharmonizität bewirkt jedoch, dass sie sowohl in der blauen als auch in der roten Datenreihe bei hohen Temperaturen sehr viel schneller breiter wird. © Michael Leitner / TUM

Nach der bisherigen Störungstheorie müsste die Frequenzbreite der Schwingungen (Energie E) mit steigender Temperatur T gleichmäßig zunehmen. Die Anharmonizität bewirkt jedoch, dass sie sowohl in der blauen als auch in der roten Datenreihe bei hohen Temperaturen sehr viel schneller breiter wird. © Michael Leitner / TUM

Wie rein schwingen Atome in einem Metall? Dieser Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Eisenforschung und der Technischen Universität München (TUM) mit Hilfe von Neutronen und theoretischen Berechnungen nachgegangen. Ihre Ergebnisse, die auch Auswirkungen auf die Berechnung von Wärmeleitfähigkeiten haben, veröffentlichten sie heute in der renommierten Fachzeitschrift Physical Review Letters.

Blickt ein Physiker in einen Kristall bis auf die Ebene der Atome, geht er zunächst von der Vorstellung aus, dass die Atome perfekt schwingen. So rein wie der Ton einer Stimmgabel. Doch tatsächlich schwingen sie im Extremfall eher so unrein wie eine Trommel, die geschlagen wird. Eine Trommelschwingung dauert kurz, während die Stimmgabel scheinbar ewig schwingt. „Bei hohen Temperaturen stimmt die idealisierte Vorstellung nicht, auch wenn sie einfach zu rechnen ist“, erklärt Dr. Michael Leitner (TUM), Hauptautor der Veröffentlichung.
Diese Abweichung von der idealisierten Vorstellung nennt sich Anharmonizität von Phononen. Sie allein ist der Grund sowohl für die thermische Ausdehnung von Materialien als auch die endliche Wärmeleitfähigkeit von Kristallen. Eine mikroskopische Theorie der Phonon-Phonon-Streuung ist schon seit den 1960er Jahren bekannt und wird zur theoretischen Vorhersage von Wärmeleitfähigkeiten von Materialien auch von breit verwendeten Softwarepaketen angewandt.

Die Forscher um den Stellvertretenden Wissenschaftlichen Direktor des FRM II und MLZ, Dr. Jürgen Neuhaus, nahmen nun reines Aluminium, als „einfaches Metall“ mit exemplarischem Charakter, wie Leitner sagt, um diese Anharmonizität zu untersuchen. Die Lebensdauer der Schwingungen, also ob sie eher wie der Ton einer Trommel oder einer Stimmgabel „klingen“, maßen die TUM-Wissenschaftler mit Hilfe der Neutronen am Dreiachsenspektrometer PUMA. Gleichzeitig errechneten ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut dieselbe Lebensdauer ohne vereinfachende Annahmen mit einem enormen Rechenaufwand.

„Dies ist eine der ersten theoretischen und experimentellen Untersuchungen, die zeigt, dass die bisherigen Standards so nicht anwendbar sind“, sagt Michael Leitner. Gerade im Bereich des Schmelzpunktes von Aluminium, bei ca. 630°C, ist die Auslenkung der Atome so groß, dass die für niedrige Temperaturen entwickelten Theorien und Berechnungsgrundlagen für Wärmeleitfähigkeit nicht mehr passen. In ihrer Veröffentlichung stellen die Physiker einen anderen Ansatz zur Berechnung der Lebensdauer der Schwingungen auf, der der Situation gerechter wird.

Weitere Versuche mit anderen Metallen müssen zeigen, ob sogar Software umgeschrieben werden muss, mit der bislang Wärmeleitfähigkeit berechnet wird. Bei höheren Temperaturen, vermutet Leitner, könnte dies durchaus zutreffen.

Originalpublikation:

A. Glensk, B. Grabowski, T. Hickel, J. Neugebauer, J. Neuhaus, K. Hradil, W. Petry, and M. Leitner
Phonon lifetimes throughout the Brillouin zone at elevated temperatures from experiment and ab initio
Phys. Rev. Lett. 123, 235501(2019)
DOI: 10.1103/PhysRevLett.123.235501

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