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20.10.2022
Patent für ein vielseitiges Ventil
Eine mögliche Anwendung für kontinuierliche Spinventile könnten künstliche Gehirnzellen sein. Zusammengeschaltet in einem größeren Netz würden die einzelnen Spinventile genau wie echte Neuronen ab einem gewissen Schwellenwert der eingehenden Signale ein Signal ausgeben. Der Schwellenwert wäre über den Widerstand einstellbar. © Reiner Müller
Sie sind so unverzichtbar, dass wir ihre Rolle in unserem Alltag teils vergessen: Ventile waren Treiber der industriellen Revolution. Ihre elektronischen Cousins, die Transistoren, läuteten das digitale Zeitalter ein, indem sie logische Schaltungen auf immer kleineren Bauteilen ermöglichten. Ein neues Patent, entwickelt am MLZ und dem Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, macht zum ersten Mal sogenannte Spinventile möglich, die beliebige Widerstände produzieren und etwa als künstliche Neuronen eingesetzt werden könnten.
Im Gegensatz zu Transistoren, bei denen eine angelegte Spannung einen großen elektrischen Widerstand ein- und ausschaltet, regelt den Widerstand bei Spinventilen ein Magnetfeld oder genauer gesagt dessen Richtung. Bislang konnten nur kollineare Ventile realisiert werden.
Bisher nur zwei Einstellungen
Diese können, genau wie Transistoren, nur zwischen zwei Werten für den Widerstand wechseln. Dazu werden zwei ferromagnetische Schichten durch einen dünnen Leiter voneinander abgekoppelt, sodass beide unabhängig voneinander magnetisiert werden können. Beim Magnetisieren setzt man einen Ferromagneten einem magnetischen Feld aus, sodass sich die Spins in seinem Inneren ausrichten und er sein eigenes Magnetfeld aufrechterhält. Bei relativ schwachen äußeren Feldern zeigt dieses selbst produzierte Magnetfeld immer entlang der sogenannten einfachen Achse (engl.: „easy axis“), die vom Material vorgegeben ist. Dabei sind beide Richtungen entlang dieser Achse möglich, abhängig von der Richtung des äußeren Magnetfeldes. Der Trick bei binären Spinventilen ist es, die Magnetisierung eines der beiden Ferromagneten zu fixieren, sodass ein äußeres Magnetfeld nur die des anderen ändern kann. Damit haben die Ferromagneten entweder die Magnetisierung in derselben Richtung, was den Widerstand minimiert, oder in entgegengesetzter Richtung, was zum maximalen Widerstand führt.
Dr. Yuri Khaydukov am Instrument NREX. Bei der Untersuchung von Grenzflächen zwischen Supraleitern und Ferromagneten mit Neutronen beobachtete er, dass die Ausrichtung der Magnetisierung bei der Verwendung bestimmter Materialien fixiert ist. Da kam ihm die zündende Idee, diesen Effekt bei kontinuierlichen Spinventilen auszunutzen. © Wenzel Schürmann, TUM
Erfindung ermöglicht beliebige Widerstände
Könnte man auch ein kontinuierliches Spinventil realisieren, bei dem die beiden Magnetisierungen beliebig gegeneinander verdreht sein und damit auch Widerstände zwischen den beiden Extremwerten produzieren können? Genau dazu hat Dr. Yuri Khaydukov, bis vor kurzem Instrumentenwissenschaftler am NREX des MLZ, gemeinsam mit Kollegen des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung, Stuttgart, und dem „Gitsu Institute of Electronic Engineering and Nanotechnologies“, Moldawien, ein Patent eingereicht, in dem er beschreibt, wie ein solches Ventil aussehen könnte. Die grundlegende Funktionsweise ähnelt der des binären Spinventils. Doch er dreht den Spieß um, indem er durch eine geschickte Wahl der verwendeten Materialen die Richtung der fixierten ferromagnetischen Schicht variiert, ohne die einfache Achse des anderen Ferromagneten zu beeinflussen. Damit sind nun alle Einstellungen zwischen den beiden Extrema der kollinearen Spinventile möglich. Auf diesen Effekt ist Yuri Khaydukov gestoßen, während er mit Neutronen die Grenzflächen zwischen Ferromagneten und Supraleitern untersuchte. Er bemerkte in seinen Messungen, dass die Achse der Magnetisierung unerwarteter Weise fixiert zu sein schien. Schnell erkannte er das Potential dieser Entdeckung und bemühte sich um ihre Umsetzung in Spinventilen.
Kandidaten für künstliche Neuronen
„Das größte Problem bislang war es, nicht-kollineare Spinventile so zu bauen, dass verlässlich jede beliebige Einstellung der Magnetisierungen und damit auch der Widerstände reproduziert werden kann“, erklärt Yuri Khaydukov die Bedeutung seines Patentes. „Das ist aber das wichtigste, um sie wirklich verwenden zu können und mit dieser Methode ist das nun zum ersten Mal möglich und macht die Ventile vielseitig einsetzbar”, fährt er fort. Als erste Anwendung kommt ihm da die Realisierung von künstlichen neuronalen Netzen in den Sinn, bei denen eine Reihe von Eingangssignalen über mehrere Ebenen miteinander verknüpft werden. Die Knotenpunkte, an denen Eingangssignale zusammenlaufen, sind die künstlichen Neuronen. Genau wie ihre biologischen Gegenstücke geben die künstlichen Gehirnzellen ein Ausgangsignal, wenn die Summe der einlaufenden Signale einen gewissen Schwellenwert überschreitet. Das neuronale Netz lernt, indem es diesen Schwellenwert ständig anpasst, bis es das Optimum findet. Genau da können die kontinuierlichen Spinventile verwendet werden, indem der fein verstellbare Widerstand als künstliches Neuron fungiert. Yuri Kaydukov und seine Kollegen haben zu dieser Erfindung jetzt erst einmal ein Patent angemeldet.
Weitere Informationen:
Beschreibung des Patentes auf der Homepage der Max-Plank-Gesellschaft: https://www.max-planck-innovation.de/technologieangebote/technologieangebot/non-collinear-spin-valve.html
Max-Plank-Innovation: https://www.max-planck-innovation.de/
NREX Instrument: https://mlz-garching.de/nrex/de
Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung: https://www.fkf.mpg.de/de
Gitsu Institute of Electronic Engineering and Nanotechnologies: https://nanotech.md/en
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