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17.08.2023

Organogele: Neues Reinigungsmittel für Kunstwerke

Bei der Restaurierung von Kunstwerken werden oft Lösungsmittel verwendet, die toxische Eigenschaften haben. Erstmals ist es Forschenden jetzt gelungen, ein ungiftiges und nachhaltiges Reinigungsmittel für Gemälde herzustellen. Die Struktur des so genannten Organogels untersuchten die Wissenschaftler:innen an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II der Technischen Universität München (TUM).

Organogels Organogels Wissenschaftler Sebastian Busch bereitet Gelproben mit verschiedenen organischen Lösungsmitteln für das Neutronenstreuexperiment vor. © Bernhard Ludewig/ FRM II

Wissenschaftler Sebastian Busch bereitet Gelproben mit verschiedenen organischen Lösungsmitteln für das Neutronenstreuexperiment vor. © Bernhard Ludewig/ FRM II

Künstlerisch wertvolle Gemälde sind unersetzliche Unikate, die der Nachwelt erhalten bleiben sollen. Doch im Laufe der Jahrzehnte verlieren sie an Glanz. Der Grund: Eine Patina aus Staub, Ruß, aggressiven Luftschadstoffen und Mikroorganismen lässt die Oberflächen dunkel und stumpf erscheinen. „Um die Patina von wassersensitiven Oberflächen zu entfernen, setzen Restauratoren meist flüssige organische Lösungsmittel ein, die allerdings für den Menschen gefährlich und zudem belastend für die Umwelt sind“, sagt Prof. Piero Baglioni, Chemiker an der Universität Florenz. Seit seiner Studienzeit beschäftigt er sich mit der Restaurierung von Kunstwerken.

Gemeinsam mit einem internationalen Forschungsteam hat der Wissenschaftler jetzt ein Reinigungsmittel für Gemälde entwickelt, das ungiftig, umweltverträglich und nachhaltig ist. Hauptbestandteil des Reinigungsmittels ist Rizinusöl, ein Naturprodukt, das kostengünstig gewonnen werden kann. Aus diesem können durch bestimmte Syntheseprozesse feste Gele hergestellt werden.

Organogels mit SANS-1 Organogels mit SANS-1 Neutronen sind zwingend notwendig, um die Struktur und Dynamik der Organogele zu verstehen. © Bernhard Ludewig/ FRM II

Neutronen sind zwingend notwendig, um die Struktur und Dynamik der Organogele zu verstehen. © Bernhard Ludewig/ FRM II

Gele können mit Lösungsmitteln beladen werden

Diese Organogele haben die besondere Eigenschaft, dass sie organische Lösungsmittel in ihr Molekülnetzwerk einbauen können: „Die mit Lösungsmittel beladenen Gele lassen sich ohne Schutzmaßnahmen für die Reinigung von Kunstwerken einsetzen – der Restaurator kann sie auftragen und sie nach einer Einwirkzeit zusammen mit dem Staub und Schmutz, der sich an der Oberfläche gesammelt hat, wieder entfernen. Das Verfahren ist sehr schonend, denn die Lösungsmittel verbleiben in den Gelen und können nicht in die Oberflächen eindringen“, betont Baglioni.

Doch: Welche Struktur haben die Organogele, und wie verändert sich diese, wenn sie mit Lösungsmittel beladen werden? Diese Frage lässt sich mit klassischen Untersuchungsmethoden nicht beantworten.

Neutronen machen die Struktur der Organogele sichtbar

Die Antwort auf diese Frage liefert die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz der TUM in Garching. Mithilfe von Neutronen, deren Wellenlänge kürzer ist als die des Lichts, lassen sich Strukturen nachweisen, die nur wenige Nanometer groß sind. “Neutronen sind zwingend notwendig, um die Struktur und Dynamik der Organogele zu verstehen”, betont Baglioni.

Sein Team nutzte das SANS-1 Instrument, eine spezielle Messanlage für „Neutronen-Kleinwinkelstreuung“ (die Abkürzung SANS steht für Small-Angle Neutron Scattering). „Organogele sind bisher wenig erforscht. Die Untersuchungen am FRM II zeigen erstmals die Nanostruktur und geben Aufschluss, wie sich diese verändert, wenn die Polymere mit organischen Lösungsmitteln beladen werden“, resümiert Baglioni.

Dank der Untersuchungsergebnisse konnte das Team das neue Reinigungsmittel optimieren. Für den Praxistest bekamen Restauratoren am Peggy Guggenheim Museum in Venedig ein festes Organogel und dazu einen Behälter mit dem Lösungsmittel. Die Komponenten lassen sich gut lagern, können bei Bedarf gemischt und auf Gemälde aufgetragen werden. Das neue Reinigungsmittel wurde unlängst erfolgreich zur Restaurierung eines Gemäldes von Giorgio de Chirico eingesetzt, das mit herkömmlichen Methoden nur schwer zu reinigen war.

Originalpublikation:
Giovanna Poggi, Harshal D. Santan, Johan Smets, David Chelazzi, Daria Noferini, Maria Laura Petruzzellis, Luciano Pensabene Buemi, Emiliano Fratini, Piero Baglioni,
Nanostructured bio-based castor oil organogels for the cleaning of artworks,
Journal of Colloid and Interface, Science, Volume 638, 2023, Pages 363-374,
ISSN 0021-9797, https://doi.org/10.1016/j.jcis.2023.01.119

Mehr Informationen:
An der Forschung beteiligt waren: Department of Chemistry “Ugo Schiff” and CSGI, University of Florence, Italy, European Spallation Source ERIC, Lund, Sweden, Jülich Centre for Neutron Science at Heinz Maier-Leibnitz Zentrum, Forschungszentrum Jülich GmbH, Garching, Germany, Peggy Guggenheim Collection, Venice, Italy, Procter & Gamble Company, Brüssel, Belgien, stellte ein Stipendium für Harshal Santan zur Verfügung, einen Studenten, der an der Synthese des vorläufigen Gels arbeitete.

Kontakt:
Professor Piero Baglioni
University of Florence
The Chair of Physical Chemistry
baglioni@csgi.unifi.it
+39 055 457-3033
https://www.csgi.unifi.it/person.php?p=28

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