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02.06.2023

Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen

Injektionsnadeln vorgefüllter Fertigspritzen können bei falscher Lagerung verstopfen. Ein Forschungsteam hat den Prozess detailliert und systematisch untersucht, unter anderem an der Forschungs-Neutronenquelle FRM II der Technischen Universität München (TUM). Die Ergebnisse sollen dabei helfen, die Herstellung und Lagerungsbedingungen entsprechend anpassen zu können.

Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen Titelbild Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen Titelbild Fertigspritzen sind vorgefüllt, Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn verabreichen sich diese selbst. © Astrid Eckert, TUM

Fertigspritzen sind vorgefüllt, Patientinnen und Patienten mit Erkrankungen wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn verabreichen sich diese selbst. © Astrid Eckert, TUM

Vorgefüllte Fertigspritzen sind einfach zu handhaben und ermöglichen eine exakte Dosierung. Patient:innen können sich ihr Medikament daher ohne Probleme selbst spritzen. Sie sind bei so verschiedenen Krankheiten wie Asthma, Krebs oder auch chronischen entzündlichen Erkrankungen wie Morbus Crohn nicht mehr aus der Therapie wegzudenken. Doch die Fertigspritzen funktionieren nicht immer einwandfrei, die Injektionsnadeln können während der Lagerung verstopfen, was zu Fehldosierungen bei der Injektion führen kann.

Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen 2.Bild Neutronen zeigen, wie Fertigspritzen verstopfen 2.Bild Dr. Michael Schulz untersuchte die Fertigspritzen der Firma Novartis an der Neutronenradio- und tomografieanlage ANTARES des FRM II. © Astrid Eckert, TUM

Dr. Michael Schulz untersuchte die Fertigspritzen der Firma Novartis an der Neutronenradio- und tomografieanlage ANTARES des FRM II. © Astrid Eckert, TUM

Neutronen zeigen Flüssigkeit in Nadelspitze

„Dieses Problem steht weltweit im Fokus der Pharma-Hersteller und der Zulassungsbehörden“, sagt Prof. Stefan Scheler. Er arbeitet für die technische Forschungs- und Entwicklungsabteilung des Schweizer Pharmaunternehmens Novartis und lehrt an der Hochschule Kaiserslautern Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie.

Scheler und sein Kollege Dr. Alexander Zürn haben eine detaillierte und systematische Studie angefertigt, die die Vorgänge beim Verstopfen der Nadeln mathematisch modelliert und so ein besseres Verständnis für die Hintergründe dieses unerwünschten Prozesses schafft. Dazu nutzten die Forschenden auch die Neutronen-Radiografieanlage ANTARES der TUM am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching.

Gutes Bild trotz geringem Nadeldurchmesser

„Röntgenstrahlen können das Metall der Nadel nur unzureichend durchdringen“, erklärt Dr. Michael Schulz, der für die TUM die Neutronenmessungen an der Radiografieanlage geleitet hat. „Neutronen hingegen durchdringen das Metall und zeigen zudem einen guten Kontrast zwischen Wasser und Luft.“

Genau darauf kam es den Wissenschaftlern an. Eine Schwierigkeit war dabei nicht zuletzt der geringe Innendurchmesser der Spritzennadeln, der nur etwa 0,2 mm beträgt. Der Detektor des ANTARES war jedoch in der Lage, luft- und flüssigkeitsgefüllte Segmente im Innern klar unterscheidbar und in guter Auflösung darzustellen.

Wirkstofflösungen verfestigen sich in der Nadel

27 verschieden behandelte Fertigspritzen haben die Forschenden durchleuchtet. So wurden manche etwa Temperaturschwankungen ausgesetzt, statt sie vorschriftsgemäß im Kühlschrank zu lagern. Auch Schütteln und Druckschwankungen, zur Simulation von Luftfrachttransporten, sowie unterschiedlich lange Lagerungszeiten untersuchten die Pharmazeuten.

„Die Neutronenexperimente haben uns eindeutig gezeigt, unter welchen Bedingungen Flüssigkeit in die Nadel dringt“, sagt Scheler. Ein Überdruck im Spritzeninneren gegenüber der Umgebungsluft führt zu einem schnelleren Verstopfen. Auch die Lagerdauer und hohe Temperaturen wirken sich negativ aus.

Nadelverstopfungen könnten in Zukunft ein wachsendes Problem darstellen

„Dass Nadeln verstopfen, könnte in Zukunft öfter passieren“, prophezeit Scheler. Denn um auch hohe Wirkstoffdosen in kleinen Volumina subcutan verabreichen zu können, werden die Wirkstoffkonzentrationen in den Spritzen immer höher gewählt. Die Gefahr von Nadelverstopfungen steigt auf diese Weise.

„Wir arbeiten jetzt daran, das bereits im Herstellungsprozess zu verhindern“, sagt Scheler. Eine Möglichkeit sei es etwa, den Füllprozess zu ändern und einen leichten Unterdruck in der Spritze zu erzeugen, der den Eintritt von Flüssigkeit in die Nadel während der Lagerung verhindert. Um derartige Maßnahmen zu optimieren, könnten weitere Untersuchungen mit Neutronen durchgeführt werden.

Publikation:
Stefan Scheler, Simon Knappke, Michael Schulz, Alexander Zuern:
Needle clogging of protein solutions in prefilled syringes: A two-stage process with various determinants,
European Journal of Pharmaceutics and Biopharmaceutics, Volume 176 (2022), Pages 188-198, ISSN 0939-6411,
https://doi.org/10.1016/j.ejpb.2022.05.009

Ansprechpartner:
Dr. Michael Schulz
Technische Universität München
Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II)
Tel: +49 89 / 289-14718
E-Mail: michael.schulz@frm2.tum.de

Weitere Informationen:
An der Studie waren neben Angestellten der Novartis Pharma AG und Sandoz GmbH Forschende der Hochschule Kaiserslautern und der Technischen Universität München beteiligt.

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