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05.11.2021

Neutronen entschlüsseln 50 Jahre altes Rätsel der Physik

Ladungsordnung Schachbrett Ladungsordnung Schachbrett Neutronenmessungen holen die versteckte Ordnung nach 50 Jahren aus der Kiste: Innerhalb einer Schicht sind die Eisen-Atome in Sr3Fe2O7 in einem Schachbrett-Muster angeordnet. Die Stapelung der Schichten ist jedoch zufällig. © Max Planck Institut für Festkörperforschung, Stuttgart, Deutschland.

Neutronenmessungen holen die versteckte Ordnung nach 50 Jahren aus der Kiste: Innerhalb einer Schicht sind die Eisen-Atome in Sr3Fe2O7 in einem Schachbrett-Muster angeordnet. Die Stapelung der Schichten ist jedoch zufällig. © Max Planck Institut für Festkörperforschung, Stuttgart, Deutschland.

Vor mehr als 50 Jahren entdeckten Forschende einen ausgeprägten Phasenübergang in Strontiumeisenoxid bei Raumtemperatur. Was genau dabei auf atomarer Ebene geschieht, war jedoch seitdem unklar. Durch hochaufgelöste Neutronenmessungen konnte ein Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für Festkörperforschung am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) das alte Rätsel jetzt auflösen.

Phasenübergänge in Festkörpern sind Phänomene, bei denen aus Unordnung Ordnung entsteht. Makroskopisch zeigen sie sich durch Anomalien, wie den starken Anstieg von Magnetismus oder den plötzlichen Abfall des Widerstands. Bei Strontiumeisenoxid (Sr3Fe2O7), das die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genauer untersucht haben, zeigte sich der Phasenübergang in den thermischen Eigenschaften: Die spezifische Wärme verändert sich beim Abkühlen plötzlich.

Diesen Phasenübergang identifizierte die Mössbauer-Spektroskopie schon vor 50 Jahren. „Wir wollten aber verstehen, was dabei auf der Atomebene passiert. Bisher hat man einfach nichts gefunden“, erklärt Dr. Thomas Keller, Instrumentwissenschaftler am Drei-Achsen-Spin-Spektrometer TRISP am MLZ. Als „Versteckte Ladungsordnung“ bezeichneten Forschende das Phänomen deshalb.

TRISP Thomas Keller TRISP Thomas Keller Am Dreiachsenspektrometer TRISP führte das Team um Dr. Thomas Keller die hochaufgelösten Messungen durch. © Bernhard Ludewig / FRM II, TUM

Am Dreiachsenspektrometer TRISP führte das Team um Dr. Thomas Keller die hochaufgelösten Messungen durch. © Bernhard Ludewig / FRM II, TUM

Die Lösung steckt im Schachbrettmuster

„Ganz einfach gesagt, sind die Eisenatome normalerweise auf einem quadratischen Gitter angeordnet. Diese sind wiederum in Schichten übereinandergestapelt“, so Keller, der über den Kooperationspartner Max-Planck Institut für Festkörperforschung unter der Leitung von Prof. Bernhard Keimer am MLZ arbeitet. In den einzelnen quadratischen Schichten ergeben die beiden Valenzzustände des Eisens ein einfaches Schachbrett-Muster. Die Stapelung der aufeinanderfolgenden Schichten ist jedoch zufällig.

Am TRISP haben wir eine sehr hoch auflösende Lamordiffraktion, die sonst nirgends möglich ist“, erklärt Keller. „Damit konnten wir die Abstände von Atomen messen und sahen, dass diese durch die Ladung minimal verzerrt wurden.“ Das Forschungs-Team kombinierte die Lamordiffraktion mit einer hochauflösenden Röntgenmessung am Deutschen Elektronen-Synchotron DESY, die die Stapelung sichtbar machte. „Erst durch die Kombination mit der zweiten Methode hat man uns überhaupt geglaubt, dass wir das Rätsel um die versteckte Ladung tatsächlich aufgelöst haben“, so Keller.

Neue Konzepte für Datenspeicher möglich

„Natürlich betreiben wir reine Grundlagenforschung, Sr3Fe2O7 ist eine altbekannte Modellsubstanz“, erklärt Keller. „Die technische Weiterentwicklung steht und fällt jedoch immer mit den verfügbaren Materialien. Das ist schon seit der Steinzeit so“, führt er weiter aus. Es ist daher wichtig, das größtmögliche Verständnis für die Materialien zu bekommen.

Sr3Fe2O7 ist beispielsweise ein Kandidat für einen neuartigen Datenspeicher, den sogenannten „Phase Change Memory“ (PCM). Wenn es gelänge, die zufällig gestapelten „Schachbretter“ der einzelnen Schichten gezielt zu manipulieren, die Stapelung also in eine Ordnung zu bringen, ergäben sich die beiden Zustände „geordnet“ und „ungeordnet“. Das lässt sich einfach in die Datenbits 0 und 1 übertragen. Eine kleine Verzerrung auf atomarer Ebene kann also ganz schön zukunftsweisend sein.

Originalpublikation:
J.-H. Kim, D. C. Peets, M. Reehuis, P. Adler, A. Maljuk, T. Ritschel, M. C. Allison, J. Geck, J. R. L. Mardegan, P. J. Bereciarua Perez, S. Francousal, A. C. Walters, T. Keller, P. M. Abdala, P. Pattinson, P. Dosanjh, Keimer, B. Hidden Charge Order in an Iron Oxide Square-Lattice Compound. Phys Rev Lett., 9, 127 (2021) – DOI: https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.127.097203

Quelle und weitere Informationen:
https://www.fkf.mpg.de/7518900/2021_09_Keimer

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