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02.09.2020

Jagd auf Mister X: Mit Neutronen auf der Suche nach einem unbekannten Teilchen

Dunkle Materie (künsterische Interpretation) Dunkle Materie (künsterische Interpretation) Eine künstlerische Visualisierung von dunkler Materie

Eine künstlerische Visualisierung von dunkler Materie

Die Physikwelt ist in Aufruhr, ein ungarisches Team will ein noch unbekanntes Teilchen mit rätselhaften Eigenschaften entdeckt haben. Das würde nicht nur das jetzige Physikverständnis sprengen, sondern auch einen jahrzehntelangen Traum der Physik greifbar machen: Den Zugang zu Dunkler Materie.

Beobachtet hat das besagte Team (siehe Foto) um den Kernphysiker Attila Krasznahorkay vom Atomki Institut für Kernforschung in Debrecen (Ungarn) eine Anomalie erst in der Abregung von Berylliumkernen und dann auch von Heliumkernen.

X17 Gruppenbild X17 Gruppenbild Das besagte Team beim Aufbau des Experimentes an der PGAA am MLZ: v.l. Christian Stieghorst, Attila Krasznahorkay und Ádám Nagy. Weitere Teammitglieder: Margit Csatlós, László Csíge, Mátyás Hunyadi.

Das besagte Team beim Aufbau des Experimentes an der PGAA am MLZ: v.l. Christian Stieghorst, Attila Krasznahorkay und Ádám Nagy. Weitere Teammitglieder: Margit Csatlós, László Csíge, Mátyás Hunyadi.

Anomalie durch ein neues Teilchen, das X17

Die 17 steht für die Masse in der üblichen Skala der Kernphysik (17 MeV schweres Trägerteilchen -Boson) und das „X“ für seine rätselhaften Eigenschaften. Theoretikerinnen und Theoretiker postulieren, es könne sich um ein Austauschteilchen einer neuen fundamentalen Kraft (und damit neben Gravitation, Elektromagnetismus, starker und schwacher Kernkraft einer fünften Grundkraft) handeln. Damit hätte man zum ersten Mal ein Bindeglied gefunden zwischen der beobachtbaren Materie, aus der alles sichtbare im Universum aufgebaut ist, und der verborgenen dunklen Materie, deren Existenz nachgewiesen ihre Natur aber nicht erklärt werden kann.

Die Jagd nach X17 beginnt

In ihren Experimenten 2016 hatten die Forschenden dünne Proben aus Lithium-7 mit Protonen beschossen und die daraus resultierenden Berylliumkerne untersucht. Mittlerweile konnten die ungarischen Physikerinnen und Physiker ihre Ergebnisse mit einem verbesserten Versuchsaufbau replizieren und die Anomalie auch in der Abregung von Heliumkernen nachweisen. Ein gutes Zeichen, aber es meldeten sich auch skeptische Stimmen. Bisher ist es nämlich keiner anderen Gruppe gelungen dieses Teilchen zu beobachten. Deshalb kämpft das X17 aktuell noch gegen die Vorwürfe ein Messfehler oder ein Effekt der Messmethode zu sein, den man auch auf klassische Weise erklären könnte.

X17 Experiment X17 Experiment Mit diesem Aufbau will das Team vom ATOMKI Institut das X17 Teilchen aufspüren. Die ringförmig angeordneten Detektoren weisen die Photonen nach, in die es zerfallen soll.

Mit diesem Aufbau will das Team vom ATOMKI Institut das X17 Teilchen aufspüren. Die ringförmig angeordneten Detektoren weisen die Photonen nach, in die es zerfallen soll.

Ist das X17 tatsächlich ein Austauschteilchen? Könnte es die Dunkle Materie erklären?

Diese Fragen hängen damit zusammen, ob das X17 einen Spin hat oder nicht. Also bildlich gesprochen, ob es sich um sich selbst dreht oder nicht. Die Bestätigung seiner Existenz wäre sensationell und revolutionär! Das Heinz Maier-Leibnitz Zentrum (MLZ) an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) in Garching unterstützt ebenfalls die Jagd.

Helium unter Neutronenbeschuss

Die ungarischen Physikerinnen und Physiker haben ein Experiment konzipiert, bei dem sie das leichtere Helium-Isotop „Helium-3“ mit Neutronen beschießen, um die dafür nötige Anregung von Helium zu erreichen. Beobachtet wird der angeregte Helium-4 Kern bei seiner Abregung, wobei nach zwei Photonenblitzen Ausschau gehalten wird. Denn das X17 Teilchen würde bei der Abregung entstehen und in zwei Photonen zerfallen. Das könnte nur dann passieren, wenn das X17 keinen Spin hat.

„Am Instrument PGAA (Prompte-Gamma-Aktivierungsanalyse) am MLZ in Garching haben wir einen sehr hohen Fluss an kalten (energiearmen) Neutronen. Das ist genau das, was man für solche Experimente braucht“, sagt Dr. Christian Stieghorst, Instrumentwissenschaftler an der PGAA.

Eine erste Messung gab es bereits am MLZ und auch erste Hinweise

„Die Anomalie konnten wir erkennen, aber wir hatten noch nicht genug Daten, um sie mit ausreichender statistischer Signifikanz zu bestätigen“, sagt Zsolt Revay, Instrumentwissenschaftler an der PGAA. Eine so präzise Messung muss gut gegen Hintergrundstrahlung abgeschirmt sein. Daran feilen die Ungarn noch und wollen im nächsten Jahr mit einem verbesserten Aufbau zurückkehren. „Eine gemeinsame Interpretation der Ergebnisse aus den Experimenten am Atomki und am MLZ könnte uns einen genauen Wert für den Spin des X17 Teilchen liefern“, sagt Attila Kraznahorkay.

Weitere Messungen mit Neutronen am MLZ sind bereits für 2021 geplant.

Originalpublikation:

Nagy A., Krasznahorkay A. J., Ciemala M. et al.
Searching for the double γ-decay of the X(17) particle
Il nuovo cimento 42 C (2019) 124
https://doi.org/10.1393/ncc/i2019-19124-8

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