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24.08.2017

Heiße Tests mit Neutronen

Kobalt-Rhenium Superlegierung Kobalt-Rhenium Superlegierung Lukas Karge (links) am in-situ Hochtemperaturofen an der Kleinwinkelanlage SANS-1 und Dr. habil. Ralph Gilles mit der Zugmaschine für die Superlegierung am Instrument Stress-Spec. © privat / Sebastian Mast

Lukas Karge (links) am in-situ Hochtemperaturofen an der Kleinwinkelanlage SANS-1 und Dr. habil. Ralph Gilles mit der Zugmaschine für die Superlegierung am Instrument Stress-Spec. © privat / Sebastian Mast

Die Effizienz von Gasturbinen ist nahe am Limit. Noch höhere Temperaturen halten die bisherigen Nickel-Basis-Legierungen nicht aus. Deshalb suchen Wissenschaftler nach einer alternativen Superlegierung für das Turbinenmaterial. Lukas Karge hat in seiner Doktorarbeit bei Dr. habil. Ralph Gilles am MLZ einen heißen Kandidaten geprüft.

Die neue Legierung, die Sie untersucht haben, enthält Kobalt und Rhenium. Warum ist sie hitzebeständiger und stabiler?
Lukas Karge: Kobalt kann hohe Kräfte aushalten, ist bekannt im Turbinenbau und wäre ein günstiges Basismaterial, ist aber nur im mittleren Temperaturbereich einsetzbar. Rhenium ist zwar sehr teuer, kann aber höhere Temperaturen aushalten, es hat mit 3182°C den dritthöchsten Schmelzpunkt aller chemischen Elemente. Im Gegensatz dazu schmilzt Nickel schon bei 1453°C.

Weitere Bestandteile der neuen Legierung sind Tantalcarbide und Chrom. Welche Eigenschaften bringen sie mit?
Lukas Karge: Chrom schützt das Material vor Korrosion bzw. Oxidation und Tantalcarbide erhöhen die Festigkeit. Vereinfacht besteht so eine Legierung aus einer Matrix, in die feine nanoskalige Ausscheidungen zur Stabilisierung, hier die Tantalcarbide, eingelagert sind.
Ralph Gilles: Insgesamt sind da acht verschiedene Elemente drin, nun kommt es extrem auf die genaue Mischung und ihre Verteilung an.

Welche Vorteile bieten Neutronen bei der Untersuchung der Legierung?
Ralph Gilles: Früher haben die Materialwissenschaftler die Legierungen vor allem unter dem Mikroskop charakterisiert, und zwar nur vor und nach einer Wärmebehandlung bei hohen Temperaturen, nie während der Wärmebehandlung. Die acht enthaltenen Elemente bilden verschiedene Phasen und diese sind zudem im Mikroskop schwer unterscheidbar. Mit Neutronen können wir während des Erhitzens und der Zug- oder Druckversuche in das Material hinein sehen und feststellen, was in der Mikrostruktur mit welcher Phase genau passiert.
Lukas Karge: Mit Röntgenstrahlen kann man nur die Oberfläche des Materials untersuchen.

Haben die Entwickler an der TU Braunschweig bereits Messergebnisse mit Neutronen genutzt, um die Legierung zu verbessern?
Lukas Karge: Ja, in der zweiten Charge, die wir bekommen haben, waren schon Veränderungen enthalten, sodass das Material wesentlich hitzebeständiger und zugfester war. Das Material muss z.B. vorher speziell wärmebehandelt werden, damit die Elemente darin erst homogen verteilt sind und dann die richtigen Phasen bilden. Ich konnte den Braunschweiger Materialentwicklern genau sagen wie lange und bei welcher Temperatur diese Wärmebehandlung durchgeführt werden muss, damit die Verteilung im Material optimal ist. Mit Neutronen konnte ich während der Heizphase die Größe, Form und den Abstand der stabilisierenden Ausscheidungen beobachten.

Was passiert mit der Legierung, wenn sie zu heiß wird?
Lukas Karge: Bei sehr hohen Temperaturen über 1300 °C wird die Mikrostruktur instabil, das Material wird spröde. Das kann im schlimmsten Fall zu Rissen führen, was bei einer Gasturbine fatal wäre. Ich wollte bei meinen Messungen sehen, ob man diese Veränderung in der Mikrostruktur verhindern kann. Das Tantal spielt da eine große Rolle, vor allem, wie es in der Mikrostruktur der Legierung verteilt ist.

Bis zu welchen Temperaturen hält die Legierung nun?
Lukas Karge: Bis 1200 °C ist sie langzeitstabil.
Ralph Gilles: Dagegen sind Nickelbasislegierungen nur bis 1100 °C einsetzbar.

Was bringt diese Temperatursteigerung von 100 °C bei der Gasturbine?
Ralph Gilles: Die Verbrennung ist sauberer, damit fällt weniger CO2 and NOX an und natürlich haben wir eine höhere Effizienz der Turbine um einige Prozent.

Sie haben viele Messungen an verschiedenen Geräten am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum durchgeführt.
Lukas Karge: Ja, ich habe an der Kleinwinkelanlage SANS-1 gemessen, an den Diffraktometern Stress-Spec und SPODI und auch an der Prompten Gamma Aktivierungsanalyse (PGAA) sowie an der Radiografieanlage ANTARES. Aber ich war auch am Institut Laue-Langevin in Grenoble, am Paul-Scherrer Institut in der Schweiz und dem Helmholtz Zentrum Berlin. Neben Neutronen habe ich auch das Röntgendiffraktometer bei uns im MLZ-Materiallabor genutzt, um die Materialien vorab zu charakterisieren. So konnte ich meine Messzeitanträge besser formulieren, weil mir klar war, was ich genau messen wollte.

Wie kommt ein Mathematiker auf die Idee, eine Promotion mit Neutronen zu machen?
Lukas Karge: Ich habe bereits als Werkstudent am FRM II gearbeitet und schon meine Masterarbeit in Kombination mit Neutronen und Bildverarbeitung gemacht. Mich interessierte immer die Anwendung, aber auch die theoretische Herangehensweise und die Datenverarbeitung.

Die meisten anderen Materialwissenschaftler stürzen sich auf die Nickelbasislegierungen und möchten diese verbessern. Hat Kobalt-Rhenium da eine Chance?
Lukas Karge: Momentan forschen wir neben unseren Partnern aus Braunschweig, Prag und Siegen als Einzige an dem Co-Re System. Rhenium ist zum einen sehr teuer und zum anderen ist die Zusammensetzung sehr diffizil, sodass zunächst ein genaues Verständnis der Kinetik der enthaltenen Phasen nötig ist. Andernfalls kann das Material die nötigen Hochtemperatureigenschaften nicht erfüllen.
Ralph Gilles: Die Nickelbasislegierungen dominieren alles, weil sie einfach bewährt sind. Doch sie sind kurz vor dem Schmelzpunkt. Mehr kann man da nicht herausholen. Lange hat es schon keine großen Schritte mehr im Turbinenbau gegeben, Kobalt-Rhenium ist ein sehr heißer Kandidat und bringt in der aktuellen Mischung auch noch die höhere mechanische Belastbarkeit mit. Doch es wird auch mindestens 15 Jahre dauern, bis es zur Anwendung kommt. Und es gibt auch andere Ideen für den Einsatz der Legierung, z.B. für Materialien in Raketentriebwerken.

Das Projekt „Erforschung der Ausscheidungshärtung durch Tantalkarbide in Co-Re-Basis Legierungen“ wurde von 2013 bis 2017 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.
Förderkennzeichen: GI 242/4-1 und RO 2045/31-1

Vier ausgewählte Publikationen aus dem Kobalt-Rhenium-Projekt:

L. Karge, R. Gilles, D. Mukherji, P. Strunz, P. Beran, M. Hofmann, J. Gavilano, U. Keiderling, O. Dolotko, A. Kriele, A. Neubert, J. Rösler, W. Petry, The influence of C/Ta ratio on TaC precipitates in Co-Re base alloys investigated by small-angle neutron scattering. Acta Materialia 132, 354-366 (2017).

R Gilles, D. Mukherji, L. Karge, P. Strunz, P. Beran, B. Barbier, A. Kriele, M. Hofmann, H. Eckerlebe, J. Rösler, Stability of TaC precipitates in a Co–Re-based alloy being developed for ultra-high-temperature applications. Journal of Applied Crystallography 49, 1253–1265 (2016).

P. Beran, D. Mukherji, P. Strunz, R. Gilles, M. Hofmann, L. Karge, O. Dolotko, J. Rösler, Effect of composition on the matrix transformation of the Co-Re-Cr-Ta-C alloys. Metals and Materials International 22(4) 562-571 (2016).

D. Mukherji, R. Gilles, L. Karge, P. Strunz, P. Beran, H. Eckerlebe, A. Stark, L. Szentmiklosi, Z. Macsik, G. Schumacher, I. Zizak, M. Hofmann, M. Hoelzel, J. Rösler, Neutron and synchrotron probes in the development of Co-Re-based alloys for next generation gas turbines with an emphasis on the influence of boron additives. Journal of Applied Crystallography 47, 1417-1430 (2014).

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