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22.09.2021

Durchbruch in der Magnonik? Neue Eigenschaft in Quantenmaterialien entdeckt

Versuche am Instrument PUMA Versuche am Instrument PUMA Die beiden Wissenschaftler bereiten die Versuche am Instrument PUMA vor. © Bernhard Ludewig

Die beiden Wissenschaftler bereiten die Versuche am Instrument PUMA vor. © Bernhard Ludewig

Geringeren Energieverbrauch und neue Funktionen in der Halbleitertechnologie verspricht das neue zweidimensionale Material. Forschende des Forschungszentrums Jülich haben zusammen mit Teammitgliedern aus Deutschland, Frankreich und China neue Eigenschaften in der Quantenmechanik entdeckt. Das alles schafften sie mit der Zukunftstechnologie Magnonik.

Elektronische Geräte so dünn wie ein Blatt Papier, biegsam, durchsichtig, mit geringem Energieverbrauch aber schneller Rechenleistung und enormem Speichervermögen – was einst Science-Fiction war, rückt inzwischen in greifbare Nähe. Mit so genannten „zweidimensionalen van-der-Waals-Materialien“ können mittlerweile viele der elektronischen Eigenschaften realisiert werden, die wir in heutiger Elektronik nutzen, wo etwa Halbleiter, elektrische Isolatoren, Halbmetalle, Metall und Magnete im Einsatz sind. Dabei sind diese kristallinen Materialien nur eine oder einige wenige Atomlagen dick, quasi zweidimensional.

Die flache Form ermöglicht oftmals Eigenschaften, die die gleichen Materialien als Festkörperkristalle nicht aufweisen, denn quantenmechanische Phänomene an den Grenzflächen bewirken, dass sich die Elektronen anders verhalten. Der Namensbestandteil „van-der-Waals“ trägt der Tatsache Rechnung, dass zwar die Atome innerhalb einer 2D-Schicht fest miteinander verbunden sind, die chemische Bindung zur Unterlage aber nur über schwache, so genannte „van-der-Waals-Kräfte“ erfolgt. Dies unterscheidet zweidimensionale van-der-Wals-Materialien von anderen Dünnschichtsystemen.

Künstlerische Darstellung magnonischer Wellen Künstlerische Darstellung magnonischer Wellen Künstlerische Darstellung magnonischer Wellen an den Kanten eines 2D-van-der-Waals-Materials (grün hervorgehoben). Die Pfeile symbolisieren die magnetischen Momente, die in drei Schichten jeweils bienenwabenförmig angeordnet sind. © Forschungszentrum Jülich

Künstlerische Darstellung magnonischer Wellen an den Kanten eines 2D-van-der-Waals-Materials (grün hervorgehoben). Die Pfeile symbolisieren die magnetischen Momente, die in drei Schichten jeweils bienenwabenförmig angeordnet sind. © Forschungszentrum Jülich

Exotische Eigenschaften mit Magnonen
Abhängig von der Materialzusammensetzung und der Gittersymmetrie der 2D-Systeme können weitere Eigenschaften entstehen, etwa optische oder magnetische sowie exotische, die in heutiger Elektronik noch nicht genutzt werden. Die von den Jülicher Forschenden untersuchte Materialfamilie besitzt zum einen ferromagnetische Eigenschaften, wie ein klassischer Stabmagnet. Ferromagnetische Eigenschaften werden heute zum Beispiel für das Speichern von Daten genutzt.

Zum anderen wiesen die Forschenden nun jedoch eine vollkommen neue Eigenschaft nach: Die untersuchten Materialien sind topologische Isolatoren für Magnonen. Topologische Isolatoren für elektrischen Strom sind bereits als Festkörper bekannt. Diese sind eigentlich elektrische Isolatoren, leiten aber an ihren Kanten Strom fast widerstandslos. Magnonen sind kollektive Anregungen in magnetischen Systemen, deren Energieübertragung quantisiert ist. Man kann sie sich wie Wellen vorstellen, die das Material durchlaufen, ganz so wie sich Wellen auf einer Wasseroberfläche ausbreiten, wenn ein Stein hineinfällt. Die magnetischen Momente im Material bleiben dabei an Ort und Stelle, nur ihre Ausrichtung ändert sich. In topologischen Isolatoren für Magnonen breiten sich die Wellen nur entlang der Kanten der Proben aus, so wie in topologischen Isolatoren für Elektronen die Elektronen nur über die Kanten des Materials fließen.

Energieverbrauch zehnmal geringer
„Da bei der Übertragung von Information durch Magnonen keine elektrische Ladung transportiert werden muss, erwarten wir im Vergleich zu modernen Halbleiterchips einen etwa zehn Mal geringeren Energieverbrauch. Deshalb eignen sich Magnonik-Bauelemente besonders zur Integration in mobile IT-Anwendungen“, erläutert Prof. Yuriy Mokrousov vom Peter Grünberg Institut. Er war mit seinem Team maßgeblich in die Interpretation der beobachteten Daten involviert.

Sein Kooperationspartner Dr. Yixi Su vom Jülich Centre for Neutron Science erläutert, dass es mit ähnlichen Materialien zukünftig möglich werden könnte, alle Funktionen, die für die Magnonik-Technologie nötig sind, in einem integrierten Chip zu erzeugen, also etwa die Magnonik-Entsprechung zu Halbmetallen oder Isolatoren. Denn die Ergebnisse der Forscheenden zeigen den Weg zu gezieltem Feintuning der Eigenschaften der Materialklasse auf.

Die Zusammenhänge zwischen Materialzusammensetzung, Magnetstruktur und magnonischer Eigenschaften hatten sie mühsam erarbeitet. So mussten sie alleine für eine Probe über Hundert hochreine Kristalle mit einem Gesamtgewicht von nur 1,4 g herstellen und so zusammenfügen, dass ihre Kristallebenen übereinstimmten. Für Untersuchungen der magnonischen Eigenschaften mittels Neutronenstreuung nutzen sie nicht nur eigene Instrumente am Institut Laue-Langevin in Frankreich, sondern ein weiteres am gleichen Standort sowie Geräte am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum in Garching und am Helmholtz-Zentrum Berlin.

Originaltext: Angela Wenzik / JCNS

Originalpublikation:
F. Zhu, L. Zhang, X. Wang et al.;Topological magnon insulators in two-dimensional van der Waals ferromagnets
CrSiTe3 and CrGeTe3: Toward intrinsic gap-tunability; Sci. Adv. 7, eabi7532 (2021) DOI: 10.1126/sciadv.abi7532

Kontakt:
Prof. Yuriy Mokrousov
Forschungszentrum Jülich
Peter Grünberg Institut – Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1)
Tel. 02461 61-4434
E-Mail: y.mokrousov@fz-juelich.de

Dr. Yixi Su
Forschungszentrum Jülich
Jülich Centre for Neutron Science (JCNS-MLZ)
Tel. 0 89/158860-714
E-Mail: y.su@fz-juelich.de

Pressekontakt:
Angela Wenzik
Wissenschaftsjournalistin
Forschungszentrum Jülich
Tel. 02461 61-6048
E-Mail: a.wenzik@fz-juelich.de

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