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Zwischen Kulturen und Neutronenquellen
Die leitende Wissenschaftlerin Pascale Deen ist Teil eines internationalen Teams, das an der Europäischen Spallationsquelle (ESS) ein Cold Chopper Spectrometer (CSPEC) aufbaut. Das Weltklasse-Instrument soll die Flugzeit von an Materie gestreuten Neutronen messen und wird gemeinsam von Wissenschaftlern des FRM II, des LLB in Frankreich und der ESS entwickelt. Seit 2016 besucht Deen dafür regelmäßig die Neutronenquelle in Garching und bespricht sich mit ihrem Team. © W. Schürmann / TUM
Als gebürtige Niederländerin lebt die Physikerin Pascale Deen heute in Lund, Schweden, und sie muss nicht lange darüber nachdenken, was sie am FRM II besonders schätzt: „Normalerweise ist das Wetter im Winter hier immer viel besser“, erwidert sie sofort und muss lachen, als sie aus dem Fenster des Campus Café am Garchinger Forschungszentrum blickt: Bayerisches Winterwetter, wie es nicht schlechter sein könnte; kalt, grau und regnerisch.
„Aber im Ernst, was ich hier wirklich schätze ist die Expertise. Der FRM kann auf mehr als 30 Jahre Erfahrung zurückblicken, man kann also einfach auf die Menschen zugehen und Fragen stellen. Der Forschungsreaktor ist eine funktionstüchtige Einrichtung, nahe einer Universität. Die Studierenden sind deshalb oft an vielen der Forschungsprojekte beteiligt, wodurch man immer dazu angehalten wird genau zu erklären, was man tut.“
Gerade für Forschungsinstitute hält Deen dies für sehr wichtig und hilfreich, insbesondere im Hinblick auf die wissenschaftliche Kommunikation.
„Ich arbeite mit vielen verschiedenen Menschen unterschiedlichster Kulturen zusammen, sowohl mit Wissenschaftlern, als auch Ingenieuren. Und wir sprechen oft gänzlich verschiedene Sprachen, ob nun aufgrund verschiedener Nationalitäten oder unterschiedlicher Disziplinen. Unter Wissenschaftlern ist es eher einfach miteinander zu reden, wir nutzen dabei unsere eigene Sprache. Die Kommunikation mit Ingenieuren kann aufgrund unserer unterschiedlicher beruflicher Werdegänge aber manchmal herausfordernd sein. Der enge Kontakt zu Studierenden zwingt uns Wissenschaftler dazu, unsere Arbeit regelmäßig zu erklären und dadurch verbessert sich die interne Kommunikation genauso wie diejenige nach außen.“
“Wir müssen Forschungsreaktoren erhalten”
Deen arbeitet an der Europäischen Spallationsquelle (ESS) in Lund, die sich noch im Aufbau befindet und voraussichtlich 2023 den Betrieb aufnehmen wird.
„Die ESS wird für einzigartige und sehr spezielle Experimente ideal sein. Aber die sehr wichtige Grundlagenforschung wird weiterhin an Forschungsreaktoren wie dem FRM II geleistet werden. Diese ist ganz entscheidend und gibt uns wichtige Erkenntnisse über die Eigenschaften von Materialien. Um die entscheidenden Informationen herauszufiltern brauchen wir dabei die Neutronenstreuung. Daher müssen wir Forschungsreaktoren erhalten.“
In Deens Gesicht spiegelt sich der große Enthusiasmus für ihre Arbeit, die für sie mehr Berufung als Beruf zu sein scheint.
„Reaktoren haben eine schlechte Presse, aber sie sind notwendig für die Materialforschung und –entwicklung, die sehr spannend ist und auch viel Spaß macht. Ich bin zur ESS gegangen, um ein Instrument zu bauen. Und jetzt arbeite ich mit Menschen verschiedenster Kulturen, mit brandneuen Technologien und den besten Instrumenten der Welt.”
Anfang 2022 soll das 160m lange Cold Chopper Spectrometer an der Europäischen Spallationsquelle (ESS) in Betrieb gehen. © FRM II / TUM
Als leitende Wissenschaflterin ist Deen Teil eines internationalen, institutionsübergreifenden Teams, das für die ESS ein Cold Chopper Septrometer (CSPEC) entwickelt. Die Kollegen am FRM II arbeiten aktuell an der Fertigstellung der Technischen Zeichnungen für die Vakuumkammer und sind dabei auch für die Einbindung der Chopper-Kaskade verantwortlich. Das Teil-Team am Laboratoire Léon Brillouin (LLB) in Frankreich konzentriert sich währenddessen auf den Detektor-Tank und den damit verbundenen Einbau der Detektoren.
“Unsere nächsten Schritte beinhalten detaillierte Abschirmberechnungen mit einem Fokus auf das Abschirm-Konzept. Die tatsächliche Inbetriebnahme des CSPEC planen wir für Anfang 2022”, erklärt Deen.
“Wissenschaft ist mühsam, aber auch sehr kollegial – wir arbeiten sehr eng zusammen”
Die Physikerin ist für ihre Arbeit viel unterwegs, jettet zwischen Lund, den USA und Deutschland. Ein regelmäßiger Blick in den Familienkalender ist für sie und ihren Mann, der ebenfalls als Wissenschaftler arbeitet, deshalb unerlässlich.
„Es ist manchmal schwierig, aber wir glauben an das, was wir tun. Und ich denke, dass meine Arbeit meinen Kindern auch viele Möglichkeiten bietet. Sie sind immer neugierig auf meine Forschungen und stellen unzählige Fragen. Also beantworte ich ihnen, wie wir Neutronen erschaffen und sie in Bewegung bringen.“ Es zaubert ein breites Lächeln in Deens Gesicht, wenn sie von ihrer Familie spricht. „Ich glaube Kinder verstehen viel mehr, als wir Erwachsenen es ihnen oft zutrauen.“ Mit einem Augenzwinkern erinnert sich die Physikerin an ihre eigene Kindheit. „Ich war immer ein bisschen speziell. Bibliotheken haben mich fasziniert und ich mag sie bis heute. Besonders die schwierigen Sachen haben es mir schon immer angetan und ich habe stets versucht jedes Problem zu lösen, selbst wenn ich es nicht schaffen konnte.“
Ihre Neugierde und den Wissensdurst hat sich Deen über die Jahre erhalten, hat promoviert und arbeitet mit Leidenschaft für die Wissenschaft, auch wenn dies manchmal Herausforderungen mit sich bringt.
„Wissenschaft ist sehr mühsam. Dein Ego wird oft kritisiert, da die Wissenschaft ein Umfeld mit sich bringt, in dem deine Ergebnisse ständig in Frage gestellt werden. Aber die Arbeit ist auch sehr kollegial und unterstützend und wir arbeiten sehr eng zusammen. Wenn man Enthusiasmus zeigt, sind Wissenschaftler wie eine zweite Familie.“
Besprechung des CSPEC Teams am FRM II. Von links: Stephane Longeville, wissenschaftlicher Koordinator am LLB in Frankreich; Wiebke Lohstroh, wissenschaftliche Koordinatorin am FRM II; Luis Fernando Loaiza Martinez, Ingenieur am FRM II; Pascale Deen, leitende Wissenschaftlerin an der ESS in Schweden. © W. Schürmann / TUM
“Ich möchte zeigen, dass beides möglich ist, eine Familie und eine wissenschaftliche Karriere”
Die 41-Jährige hat Arbeitserfahrungen in Schweden, Frankreich und Deutschland gesammelt. Was das Thema Frauen in der Wissenschaft anbelangt, sind die Bedingungen aber nicht überall dieselben.
„Es gibt große Unterschiede, weil die Kulturen auch sehr verschieden sind. Aber es wird immer besser. Ich möchte zeigen, dass es möglich ist beides zu haben, eine Familie und eine wissenschaftliche Karriere. Man muss hart dafür arbeiten, aber es ist möglich. Ich finde man sollte sich nicht nach dem definieren, was einem die Kultur vorschreibt zu tun oder zu lassen. Als Kind habe ich in verschiedenen Ländern gelebt, habe also nie nur eine einzige Kultur kennen gelernt. Daher habe ich auch nie Entscheidungen getroffen, weil es mir mein soziales Umfeld so vorgegeben hat. Aber, ganz egal, was man schließlich macht, es sollte Spaß machen. Davon abgesehen wird man in der Physik nach seinem Wissen beurteilt und nicht nach seinem Geschlecht.“
Auch die Akzeptanz von Forschungseinrichtungen sind in den verschiedenen Ländern unterschiedlich, erzählt Deen.
„In Schweden besteht ein großer Enthusiasmus für die ESS. Natürlich sind die Menschen über Radioaktivität besorgt, aber nicht in dem Maße wie in Deutschland. Die Leute sind begeistert, dass die beste Einrichtung nach Schweden kommt, da diese auch Unternehmen und Geld in die Region bringt. Wir haben zahlreiche Besuchergruppen auf dem Gelände und viele neugierige Schulkinder, was fantastisch ist. Das Interesse für die ESS ist weit verbreitet und zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten.“
Deen legt die Hände um ihre Tasse heißen Schwarztee mit Milch – ein Überbleibsel ihrer Kindheit in Irland – und erwähnt mit einem humorvollen Blick einen weiteren Unterschied zwischen Lund und Garching: „Das Essen.“ Zugegeben, mit ihrem Vater, der als Gastronom tätig war, kann die Mensa nicht konkurrieren.
Teresa Kiechle
Presse- und Öffentlichkeits-
arbeit FRM II
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