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24.06.2025

Was mit Lise Meitners Hut geschah – Ein Besuch bei der Tochter von Heinz Maier-Leibnitz

Titelbild IMG 0207 Titelbild IMG 0207 Ein Blick in die Familiengeschichte: Christine Raum öffnet das Familienalbum – mit Erinnerungen an ihre Kindheit und an ihre Eltern. © Andrea Voit, FRM II / TUM
Ein Blick in die Familiengeschichte: Christine Raum öffnet das Familienalbum – mit Erinnerungen an ihre Kindheit und an ihre Eltern. © Andrea Voit, FRM II / TUM

Vögel zwitschern, die Sonne scheint auf das Parkett durch die Fenster ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch liegt ein Schatz, der sich nicht in Zahlen messen lässt: alte Fotoalben, Gästebücher, ein handgeschriebenes Ahnenbuch, das die Familie Maier-Leibnitz bis ins Jahr 1750 zurückverfolgt. „Die wissenschaftliche Laufbahn meines Vaters kennen Sie ja“, sagt Christine Raum, Tochter von Heinz Maier-Leibnitz, und streicht über das ledergebundene Gästebuch. „Aber vielleicht erzählen diese Seiten mehr über meinen Vater als jedes offizielle Dokument.“

Heinz Maier-Leibnitz – der Name steht heute für den Bau des ersten deutschen Forschungsreaktors in Garching, für Neutronenforschung, für wissenschaftliche Exzellenz. Doch wer ihm wirklich nahekommen will, muss anderswo suchen: in den persönlichen Geschichten, den kleinen Gesten, den Momenten fern der Labore.

Essen macht Diskutieren einfacher
Sein Leben war geprägt von Neugier und Begegnungen – in der Wissenschaft ebenso wie bei Menschen. „Er konnte genauso gut kochen wie rechnen“, sagt seine Tochter Christine Raum. Heinz Maier-Leibnitz verband sein Hobby mit dem Beruf und lud regelmäßig Gäste nach Hause ein. Es wurde diskutiert, während er in der Küche stand – danach setzte er sich dazu und fragte: „Wie sieht es aus?“

„Wenn die Leute etwas gegessen haben, wurde das Diskutieren einfacher. Bei uns gab es keinen Schnickschnack, keinen Luxus – das war damals so“, sagt Christine Raum mit einem stolzen Lächeln.

Lise Meitner ganz in schwarz
Wo so viele kluge Köpfe ein und aus gingen wie im Hause Maier-Leibnitz, waren kleine, unterhaltsame Zwischenfälle fast unvermeidlich. Christine Raum erinnert sich an einen besonderen Besuch: Lise Meitner war zu Besuch – am 13. September 1955, wie das Gästebuch verrät.

„Da kam sie also, klein, gebückt und ganz in Schwarz, mit Kapotthut und Schleier“, erzählt Christine Raum. Man wusste, dass Meitner keine Haustiere mochte – also wurde der Hund im Schlafzimmer eingesperrt. Doch das anhaltende Bellen störte, und so ließ Mutter Rita Maier-Leibnitz ihn im Haus frei, während die Esszimmertür geschlossen blieb.

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Heinz Maier-Leibnitz in seinem Büro. © FRM II / TUM

“Sie schaute den Hut misstrauisch an…und ging“
„Vor dem Kaffee kam unsere Mutter ganz aufgebracht zu uns Kindern: Der Hund habe den Kapotthut von Lise Meitner zerfetzt! Sie sagte nur: Ich mache jetzt den Kaffee – ihr müsst euch etwas einfallen lassen.“
Die drei Töchter Christine, Dorothee und Ibab begannen den Hut zu nähen.
„Dann war es so weit“, erzählt Christine. „Lise Meitner war bereit zu gehen. Sie nahm ihren Hut, schaute ihn kurz misstrauisch an, setzte ihn auf – und ging. Unsere Mutter war ganz erleichtert.“

Atomkommission im Ferienhäuschen
Besondere Erinnerungen verbindet Christine auch mit Arosa, einem kleinen Ort in der Schweiz. Dort, in den Bergen, in einem kleinen Ferienhäuschen, konnte ihr Vater abschalten – und gleichzeitig weiterdenken. „Er hat oft Besuch von Kolleginnen und Kollegen bekommen – einmal holte er sogar die Atomkommission nach Arosa.“

Nobelpreis
Und doch war Heinz Maier-Leibnitz niemand, der sich in den Vordergrund drängte. „Er war kein Mann der lauten Worte, er war sehr bescheiden“, sagt Christine Raum. „Aber seine Handschrift ist überall – in der Forschung, im Denken, in unserer Familie.“ Das Nobelpreiskomitee war wohl 1961 der Meinung, dass Heinz Maier-Leibnitz als Doktorvater den Nobelpreis mit verdient hätte für die Entdeckung des nach seinem Doktoranden benannten Mößbauer-Effektes. „Doch mein Vater hat gesagt, dass er nur die Idee gegeben, nicht die Arbeit gemacht hat“, erzählt Christine Raum. So erhielt Rudolf Mößbauer den Nobelpreis für Physik. Bei einer Ehrung, die er Jahre später erhalten hat, soll Heinz Maier-Leibnitz gesagt haben: „Wenn ich das alles höre, was ich bin und bekommen habe, werde ich mir richtig unsympathisch.“

2 IMG 0204 b 2 IMG 0204 b Christine Raum erzählt uns die Liebesgeschichte ihrer Eltern und blättert dabei durch das Familienalbum mit Fotos von Heinz Maier-Leibnitz und Rita in jungen Jahren. © Andrea Voit, FRM II / TUM

Christine Raum erzählt uns die Liebesgeschichte ihrer Eltern und blättert dabei durch das Familienalbum mit Fotos von Heinz Maier-Leibnitz und Rita in jungen Jahren. © Andrea Voit, FRM II / TUM

Kochbuch für Notfälle
Zwischen all den Erinnerungsstücken findet sich auch ein selbstgebasteltes Kochbuch aus dem Jahr 1945 – ein Weihnachtsgeschenk von Heinz Maier-Leibnitz an seine geliebte Frau Rita. „Meine Liebste“, beginnt Christine Raum, die Worte ihres Vaters vorzulesen: „Wenn du ratlos in der Küche stehst und nicht mehr weißt, was du kochen sollst mit dem bisschen, was du hast, dann denk an dieses Buch – es ist speziell für solchen Fall gemacht.“ Auch wenn sie in dieser schwierigen Kriegszeit wenig hatten, so hatten sie doch ihre Liebe zueinander und zu ihren Kindern.

Christine wurde 1938 als älteste Tochter geboren, danach folgten Dorothee (1942) und Ibab (1946). Sie beschreibt die Beziehung ihrer Eltern als Liebe bis zum Schluss – zwei Menschen, die sich perfekt ergänzten.

Liebe auf den ersten Blick
Auch die Kennenlerngeschichte ihrer Eltern erzählt Christine Raum: Als Privatkrankenschwester war Rita bei einer Routinekontrolle im Krankenhaus. Andere Schwestern sagten, es sei jemand eingeliefert worden, der größer sei als sie und einen Doktortitel habe. „Dann hat sie ihn angeschaut. Mein Vater macht in dem Moment die Augen auf – und das war’s. 14 Tage später Verlobung, dann die Heirat. 36 Jahre glückliche Ehe“, erzählt Christine Raum strahlend.

Ein Leben zwischen Formelheften und Kochbüchern, zwischen Neutronen und Nächten unter Schweizer Sternenhimmel – Heinz Maier-Leibnitz war nicht nur einer der bedeutendsten Physiker seiner Zeit. Er war auch ein Freund, Ehemann und Vater.

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