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Nachts im Reaktor: Dr. Heiko Gerstenberg verabschiedet sich in den Ruhestand

Heiko Gerstenberg im Reaktorbecken Heiko Gerstenberg im Reaktorbecken In einem Ganzkörperschutzanzug führt Dr. Heiko Gerstenberg Arbeiten am Reaktorbecken durch. © FRM II / TUM
In einem Ganzkörperschutzanzug führt Dr. Heiko Gerstenberg Arbeiten am Reaktorbecken durch. © FRM II / TUM

Als der vollbeladene Lastwagen mitten in der Nacht auf das Gelände rollt, wartet Dr. Heiko Gerstenberg bereits. Nur er und wenige Eingeweihte wissen von diesem Ereignis, denn der Lastwagen bringt eine ganz besondere Fracht mit: frische Brennelemente für die Forschungs-Neutronenquelle FRM II.

Der Brennstoffkreislauf ist eine besonders wichtige Aufgabe in Heiko Gerstenbergs Berufsleben. Nach seinem Physikstudium in München beginnt er 1982 als Diplomand im Atom-Ei zu forschen. Dort bleibt er bis zur Stilllegung und übernimmt im Jahr 2000 die Fachbereichsleitung für Bestrahlung und Quellen und wird Mitglied der Betriebsleitung am FRM II.

Die Anlieferung der Brennelemente war nicht das einzige Mal, dass er mitten in der Nacht auf das Reaktorgelände kommen musste. Von seinen Erlebnissen in den fast 39 Jahren am FRM und FRM II berichtet er in diesem Interview.

Sie waren am FRM, dem Atom-Ei, und am FRM II beschäftigt. Welche Aufgaben haben Ihnen besonders Spaß gemacht?

Im Rahmen meiner Diplomarbeit habe ich mit der auf der Welt einmaligen Tieftemperaturbestrahlungsanlage gearbeitet. Spannend war für mich auch der Aufbau der Bestrahlungsabteilung am FRM II mit kommerzieller Nutzung, denn zu dem Zeitpunkt hat kaum jemand daran geglaubt, dass es Abnehmer geben wird. Unser damaliger Verwaltungsdirektor wollte nur zum Ausprobieren einige Siliziumkristalle für die Dotierung in das Reaktorbecken halten. Er war ganz erstaunt, als uns die Münchner Firma Siltronic ein halbes Jahr später einen Vertrag anbot, da die industriellen Qualitätsanforderungen sicher erfüllt wurden. Die Siliziumdotierung hat sich zu einem richtigen Geschäft mit mehreren Mitarbeitern und Kunden aus Europa und Asien entwickelt. Die letzte wichtige Aufgabe meines Berufslebens waren der Brennstoffkreislauf und die Castortransporte, auch wenn hier die Wichtigkeit den Spaß überwogen hat.

Sie haben gerade die Castortransporte angesprochen. Was waren bzw. sind da die größten Herausforderungen?

Heiko Gerstenberg mit dem CASTOR Heiko Gerstenberg mit dem CASTOR Dr. Heiko Gerstenberg neben dem CASTOR vom Typ MTR3. © FRM II / TUM

Dr. Heiko Gerstenberg neben dem CASTOR vom Typ MTR3. © FRM II / TUM

Alles. Am Anfang war das Thema Brennstoffkreislauf eine relativ problemlose Aufgabe. Ich hatte für den FRM II lediglich die Einhaltung der notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für die Anlieferung frischer Brennelemente zu gewährleisten und der Transport wurde dann von einer erfahrenen Spezialfirma durchgeführt. Die Handhabung frischer Brennelemente erfordert keine besondere Strahlenschutzabschirmung durch einen Castor, denn die sind noch nicht aktiv.

Und die Entsorgung der abgebrannten Brennelemente?

Als die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) 2007 ihre Kriterien für den Brennelementetransport geändert hat, mussten die Castorbehälter für die Entsorgung angepasst werden. Wir haben einen komplett neuen Transport- und Lagerbehälter Castor MTR 3 zusammen mit der Firma GNS entwickelt. Wir haben da natürlich auch mit den Forschungsreaktoren in Mainz und in Berlin zusammengearbeitet, die diesen Behälter ebenfalls nutzen werden. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mir absolut nicht vorstellen, dass es 8 Jahre dauert, bis der Behälter überhaupt eine verkehrsrechtliche Zulassung bekommt.

Wahrscheinlich haben Sie als Kind nicht gedacht, dass Sie einmal am Forschungsreaktor landen?

Physiker wollte ich als Kind sicherlich nicht werden. Mein Vater hatte eine Bäckerei auf dem Dorf und mir war früh klar, dass ich diesen Beruf nicht ergreifen wollte. Es war etwas Besonderes, dass ich das Gymnasium besuchen durfte. Für mein Physikstudium bin ich mit meiner damaligen Freundin, jetzt Frau, nach München gekommen. Als Diplomand hatte ich nach dem Studium den kindischen Wunsch, noch einmal an einer richtig großen Maschine zu arbeiten. Wie Sie sehen, bin ich nie wieder weggegangen.

Hatten Sie schon einmal die Situation, dass Sie im Freundeskreis oder an anderer Stelle seltsame Blicke dafür bekommen haben, dass Sie an einem Forschungsreaktor arbeiten?

Alle meine Bekannten wussten davon und manchmal wurde ich deswegen etwas aufgezogen, aber vor den Kopf gestoßen oder für meine Arbeit verurteilt wurde ich nie. Im Gegenteil: Ich habe immer viele Leute dafür interessieren können. Wir sind da ganz offen und daher habe ich einige private Führungen gemacht und den Reaktor den Interessenten aus meinem Bekanntenkreis gezeigt.

Was macht Ihnen mehr Spaß: sich in der Theorie etwas zu überlegen oder es praktisch umzusetzen?

Der eigentliche Spaß ist natürlich die Kombination. Deshalb habe ich die Bestrahlung so gerne gemacht. Da habe ich mir etwas überlegt, Tests durchgeführt und solange verbessert, bis alles gut funktioniert hat. Ein gutes Beispiel in Kooperation mit Firmen ist die Herstellung von Holmium für die Krebstherapie. Das Feedback, wenn die ersten Patienten behandelt werden, fand ich immer sehr befriedigend. Es kam aber auch vor, dass wir morgens um 5 Uhr bestrahlen mussten, damit das Präparat zur richtigen Zeit beim Patienten ist. Dabei bin ich meinen Kollegen sehr dankbar, die das immer mitgemacht und gute Arbeit geleistet haben.

Holmium wird bei der Krebstherapie eingesetzt. Bei der Therapie gegen Leberkrebs wird Holmium injiziert und mit dem Blutkreislauf in die Leber gespült. Dabei ist es wichtig, dass die Holmium-Atome die richtige Größe von 30 μm haben, denn nur dann bleiben sie an der richtigen Stelle in den Kapillaren der Leber stecken. Dort zerfallen sie unter Energieabgabe und schädigen das Tumorgewebe.

Beim Betriebsausflug Beim Betriebsausflug Auf dem Blomberg im Kletterwald können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Neutronenquelle sich auch auf ihrem Betriebsausflug 2008 entspannen. © FRM II / TUM

Auf dem Blomberg im Kletterwald können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Neutronenquelle sich auch auf ihrem Betriebsausflug 2008 entspannen. © FRM II / TUM

Was haben Sie denn jetzt vor im Ruhestand?

Ich muss mich da erst einmal eingrooven, wie es so schön heißt. Ich habe einen Haufen Hobbies, bei denen ich mich verbessern möchte. Die meisten wissen, dass ich gerne lange Fahrradtouren mache. Ich möchte mehr Zeit mit meinem kleinen Enkel verbringen, den ich zu selten gesehen habe. Außerdem wühle ich gerne in alten Archiven, um da die Familiengeschichte aufzuarbeiten. Es wird mir definitiv nicht langweilig werden. Und wenn doch, dann wird meine Frau schon Aufgaben für mich finden.

Ich habe noch eine letzte Frage: Welches Andenken nehmen Sie mit?

Zum Abschied habe ich ein paar nette Geschenke bekommen, die mir durchaus wichtig sind. Das eine ist ein Brennelementmodell und die Werkstatt hat mir einen netten Mini-Castor gebaut. Wichtig ist mir, dass ich versuchen werde mit dem ein oder anderen Kollegen dauerhaft in Kontakt zu bleiben. Auch mit Kollegen von anderen Firmen haben sich bei der Zusammenarbeit Freundschaften entwickelt, die nicht unbedingt typisch für solche geschäftlichen Beziehungen sind. Eine gute Zusammenarbeit war mir immer wichtig und daher möchte ich den Kontakt auch über die aktive Phase hinweg aufrechterhalten.

Elene Mamaladze

Presse- und Öffentlich-
keitsarbeit
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