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Geniale Täuschung oder archäologische Sensation

So könnten die Goldfunde getragen worden sein. Ein Rekonstruktionsvorschlag der Archäologischen Staatssammlung München.

© Archäologische Staatssammlung München

Zwei Koryphäen der Archäologie streiten sich seit Jahren über die Echtheit der Goldfunde in Bernstorf. Professor Rupert Gebhard, Chef der Archäologischen Staatssammlung, deren Eigentum diese Funde sind, ist überzeugt, dass Gold aus der Bronzezeit gekauft wurde. Professor Ernst Pernicka vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH, wittert eine Fälschung. Der Vorwurf lastet schwer, denn dann wäre von Betrug in Höhe von gut 384.000 Euro die Rede. Dutzende Untersuchungen befeuerten den Streit nur weiter. Im vergangenen Jahr wandte sich Professor Gebhard an die Neutronenquelle.

Die Geschichte beginnt 1998. Die Hobbyarchäologen Manfred Moosauer und Traudl Bachmaier finden in Bernstof bei Freising Gold: Kronendiadem, Gürtel, mehrere Anstecker und einen mit Gold umwickelten, verkohlten Holzstab. Die Ausgrabungsstätte war schon als bronzezeitliche Befestigungsanlage bekannt. Die Verzierungen ähneln anderen bronzezeitlichen Funden aus der Region, aber auch aus dem Mittelmeerraum, sodass man sich schnell der archäologischen Bedeutung des Fundes bewusst war: Er beweist den kulturellen Austausch der Region Bayern mit den antiken Hochkulturen in Griechenland. Deshalb kaufte die Archäologische Staatssammlung München die Funde für 750.000 DMark.

Ungewöhnlich hoher Reinheitsgrad „wirkt verdächtig“

Schon die ersten Analysen des Goldes 1998 zeigten den ungewöhnlich hohen Reinheitsgrad. Professor Ernst Pernicka vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH fand 2014 einen Wert von 99,99%, den die Bundesanstalt für Materialforschung bestätigt. Er ist studierter Chemiker und hat sich mit naturwissenschaftlichen Untersuchungen in der Archäologie einen Namen gemacht. „Bei dem Gold handelt es sich eindeutig um eine Fälschung“, sagt er. „Dieser hohe Reinheitsgrad ist nur bei modernem Industriegold zu finden und kann nur mithilfe von Elektrolyse erzielt werden“, begründet er seinen Vorwurf. Professor Gebhard, ein bekannter Archäologe und Chef der Archäologischen Staatssammlung, verteidigt seinen Goldschatz und verweist auf das Zementierungsverfahren, mit dem nachgewiesenermaßen der Reinheitsgrad des Goldes in der Antike erhöht wurde. „Wir dürfen nicht wegen eines Gegenargumentes alle anderen Indizien ignorieren, die für eine Authentizität sprechen“, erklärt er. Diese Indizien stammen aus den unterschiedlichsten Methoden, mit denen er die Goldfunde analysiert hat.

Bernstorf Gold am STRESS-SPEC Bernstorf Gold am STRESS-SPEC Dr. Weimin Gan mit einem Teil des Goldfundes, das er am Instrument STRESS-SPEC untersucht. © Fotos: Weimin Gan / HZG und Astrid Eckert/TUM, Fotomontage: Reiner Müller, FRM II/ TUM

Dr. Weimin Gan mit einem Teil des Goldfundes, das er am Instrument STRESS-SPEC untersucht. © Fotos: Weimin Gan / HZG und Astrid Eckert/TUM, Fotomontage: Reiner Müller, FRM II/ TUM

Gleiche Untersuchung- gegensätzliche Folgerungen

Da ist zum Beispiel der verkohlte Holzstab, den zwei unabhängige Labore mit der C-14 Methode auf die Bronzezeit zurückdatieren konnten. Oder die sekundären Strukturen, die entstehen, wenn Bakterien unter der Erde das Gold auf seiner Oberfläche wieder ausscheiden. Diese und weitere wissenschaftliche Arbeiten hat Professor Gebhard mit seinem Kollegen Professor Rüdiger Krause von der Goethe Universität Frankfurt in einem etwa 300 Seiten dicken Buch zusammengefasst, um mit allen Ergebnissen eine konsistente Interpretation zu liefern. Professor Pernicka bleibt jedoch unbeeindruckt. Laut ihm ist es nicht schwer in der Ausgrabungsstätte ein passendes Holzstück zu finden und die Bakterienablagerungen seien rein hypothetisch. Schleifspuren sind viel wahrscheinlicher, behauptet er und wiederspricht auch damit direkt Professor Gebhard, der darauf hindeutet, dass Schleifspuren ganz anders aussehen. Genauso ergeht es auch den anderen Untersuchungen des Buches: Dieselben Ergebnisse werden von beiden Seiten gegensätzlich gedeutet und der Streit geht seit Jahren hin und her.

Neutronen sollen Licht ins Dunkle bringen: mit einer Texturanalyse

Professor Gebhard bringt eine weitere Materialeigenschaft ins Spiel. Zusammen mit Friedrich Wagner, mittlerweile emeritierter Professor für Physik an der Technischen Universität München, untersuchten sie am Instruments STRESS-SPEC der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) die Textur des Bernstorf-Goldes, um Rückschlüsse auf den Herstellungsprozess zu gewinnen. Dafür bearbeiteten sie moderne Goldbleche, um sie dann mit dem Gold aus Bernstorf zu vergleichen. Sie hämmerten, walzten, mit einer einfachen und einer doppelten Walze, und erwärmten das Gold jeweils im Anschluss. Dr. Michael Hofmann und Dr. Weimin Gan, Wissenschaftler am Instrument STRESS-SPEC, untersuchten das Gold mit Neutronen. „Bisher hat noch niemand Texturuntersuchungen an Gold gemacht, um herauszufinden, wie es hergestellt wurde“, sagt TUM-Wissenschaftler Hofmann. Insofern ist diese Untersuchung auch über den Goldfund von Bernstorf hinaus von wissenschaftlicher Bedeutung. Die beiden Professoren wollen damit auch in Zukunft Vergleiche zwischen antiken und modernen Fertigungstechniken durchführen.

Bernstrof Gold vor der Untersuchung Bernstrof Gold vor der Untersuchung Die Goldfunde vor ihrer Untersuchung am Instrument STRESS-SPEC. © FRM II/ TUM

Die Goldfunde vor ihrer Untersuchung am Instrument STRESS-SPEC. © FRM II/ TUM

Der Streit geht weiter- zunächst mit einer erneuten Untersuchung am FRM II

Doch die Ergebnisse sind diskussionswürdig: „Wir können keinen Herstellungsprozess eindeutig identifizieren. Mit Sicherheit ist das Bernstorfer Gold Hitze ausgesetzt worden“, sagt Weimin Gan, der am Helmholtz Zentrum Geesthacht angestellt ist. Denn sowohl die gehämmerten als auch die doppelt gewalzten Proben weisen eine ganz andere Struktur auf als das Bernstorfer Gold, entwickeln aber ähnliche Strukturen, wenn sie abschließend erhitzt werden.

Professor Pernicka sieht sich bestätigt. Die Ähnlichkeit mit den gewalzten Proben sei ein weiteres Argument für eine Fälschung. Schließlich war das Hämmern in der Bronzezeit die verbreitetste Bearbeitungsmethode. „Damit greift er sich nur die gewalzten Bleche heraus“, kontert Professor Gebhard. Für Professor Wagner ist etwas anderes ausschlaggebend: Keines der Vergleichsbleche hat eine so saubere Struktur, wie das Bernstorfer Gold. Könnte man diese Strukturen replizieren, so würde man mehr über seine Herstellung zu erfahren. Aber wie? „Das ist die große offene Frage, vor der wir jetzt stehen“, sagt Professor Wagner.

Aktuell wertet er die Ergebnisse einer zweiten Messung aus, die er ebenfalls am STRESS SPEC durchgeführt hat. Diesmal hat er mehr Vergleichsbleche vorbereitet, um genau diese Frage zu beantworten. In der Zwischenzeit kann sich jeder ein eigenes Bild von dem Goldfund machen und das „Bronzezeit Bayern Museum“ in Kranzberg besuchen. Dort zumindest ist man von der Authentizität überzeugt und präsentiert Bernstorf als den Knotenpunkt der Bronzezeit in Bayern.

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Georgios Mantzaridis
© HEIDI-FOTO

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