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Der Mann für’s Kühle

Guy Gistau am Reaktorbecken Guy Gistau am Reaktorbecken Tief unten im Reaktorbecken sieht Guy Gistau die Kalte Quelle, die an eine Krake mit Schlaucharmen erinnert. © FRM II / TUM
Tief unten im Reaktorbecken sieht Guy Gistau die Kalte Quelle, die an eine Krake mit Schlaucharmen erinnert. © FRM II / TUM

Guy Gistau ist immer da, wo es kalt ist. Mit 81 Jahren könnte er auch seinen Ruhestand auf Korsika genießen, stattdessen ist er weltweit gefragt im Bereich der Kühlsysteme bei tiefsten Temperaturen. Am FRM II hat er die Kühlmaschine der Kalten Quelle auf Herz und Nieren geprüft und eine eindeutige Diagnose gestellt.

Mit der Kalten Quelle am FRM II ist es wie mit einem leeren Bankkonto, erklärt Guy Gistau Baguer. Eigentlich sollte es gut mit Geld gefüllt sein. Wenn aber am Ende des Monats kein Geld mehr auf dem Konto ist, „dann hat man entweder nicht genug verdient oder zu viel ausgegeben“, sagt der Experte für komplexe Kühlsysteme. Guy Gistau, 81, wacher Blick, große Statur, wird immer dann angerufen, wenn ein Kühlsystem nicht arbeitet. Schweden, China, Australien – you name it. Viele Forschungsreaktoren hat er schon von innen gesehen. Jetzt zum ersten Mal Garching. „Sehr ordentlich hier, sehr gut geführt“, kommentiert er knapp. Und trotzdem kühlt die Kalte Quelle nicht so, wie sie es eigentlich sollte. „Irgendein System arbeitet hier nicht korrekt“, sagt Guy Gistau und schaut ein bisschen wie Sherlock Holmes, der schon eine heiße Spur aufgenommen hat.

Hunderte Forscher hängen von seinem Erfolg ab

Auf dem PC-Bildschirm in der Reaktorhalle des FRM II baut sich eine Datenkurve auf. Neben Guy Gistau beobachten sechs weitere Augenpaare die Kurve, Mitarbeiter der Kalten Quelle am FRM II und ein Sachverständiger des TÜV. Sorgenvolle Blicke. Sehr viele hängen ab von ihrem Erfolg, hunderte Forschende stehen Schlange, warten dringend auf Neutronen. Guy Gistau ist im Gegensatz zu seinen Auftraggebern in einer ganz anderen, völlig entspannten Situation: „Ich tue, was mir Spaß macht und nur mit Leuten, die ich mag, und meist sogar, wann ich mag“, sagt er. Deshalb ist seine Definition von Arbeit eine ganz andere, er arbeitet aus Spaß an der Freude.

Am Rechner Am Rechner Guy Gistau kontrolliert bei Tests die Kurve am Rechner im Raum der Kältemaschine. © FRM II / TUM

Guy Gistau kontrolliert bei Tests die Kurve am Rechner im Raum der Kältemaschine. © FRM II / TUM

Nobelpreis der Tieftemperaturtechnik

Guy Gistau Baguer ist eigentlich seit 21 Jahren in Rente und könnte jetzt bei seiner Frau in den korsischen Bergen die Wärme genießen, statt in der fensterlosen Reaktorhalle ein Kühlsystem zu untersuchen. Doch die Arbeit macht viel zu viel Spaß und irgendwie will er sein Wissen auch weitergeben an die nächste Generation, „wenn ich schon keine eigenen Kinder habe“. Guy Gistau ist nach seinem Arbeitsleben in der Heliumkühlung der Firma Air Liquide noch einmal so richtig durchgestartet: Vorlesungen halten, international als Berater unterwegs und jetzt sogar ein Buch über Tieftemperaturtechnik geschrieben. Außerdem hält er eine Art Nobelpreis der Tiefkühltemperaturtechniker aus dem Jahr 2020, den Mendelssohnpreis. Eine Ehre für den Ingenieur, der auch in einem Wortspiel aus seinem Namen und dem englischen Wort für „Typ“ der „CryoGuy“ genannt wird.

Wegen seines großen Fachwissens und all der Erfahrung ist er die große Hoffnung für die Kalte Quelle am FRM II. Um bei dem Beispiel des Bankkontos zu bleiben, erklärt Guy Gistau: „Bei der Kalten Quelle ist das Geld die Kühlleistung.“ Auf der einen Seite steht die Kältemaschine, die Helium kühlt und damit das Bankkonto befüllt. Das Helium gibt seine Kälte an flüssigen, schweren Wasserstoff ab, der wiederum mit seiner Kälte von minus 255°C die Neutronen aus der Kernspaltung abbremst. So abgekühlt nennt man sie „kalte Neutronen“. Sie gelangen über Strahlrohre zu 18 der insgesamt 28 wissenschaftlichen Instrumente am Heinz Maier-Leibnitz Zentrum und durchleuchten Batterien für die Elektromobilität während des Befüllvorgangs oder zeigen die Funktion von Eiweißen in Bakterien. Doch derzeit kühlt die Kalte Quelle nur einen Bruchteil der kalten Neutronen, die eigentlich bei den wissenschaftlichen Instrumenten ankommen sollten.

Die kalte Quelle Die kalte Quelle Die Kalte Quelle versorgt drei Strahlrohre mit kalten, d.h. energieärmeren, Neutronen. © FRM II / TUM

Die Kalte Quelle versorgt drei Strahlrohre mit kalten, d.h. energieärmeren, Neutronen. © FRM II / TUM

Eindeutige Diagnose auf der Suche nach der verschwundenen Kälte

Guy Gistau hat genug gesehen, er hat seine Diagnose gestellt. Er erhebt sich vom Bürostuhl vor dem PC und geht mit großen, sicheren Schritten von der Kühlmaschine im Nebenraum direkt zum Reaktorbecken. Er deutet auf das Gefäß der Kalten Quelle unter Wasser. Wie eine Krake aus Metall mit Schlaucharmen. Völlig unauffällig und doch die Hauptverdächtige auf der Suche nach der verschwundenen Kälte.

„Momentan sieht es danach aus, als würde die Kalte Quelle zu viel Geld, also Kühlleistung, abziehen. Denn die Kältemaschine, die das Geld reinbringt, arbeitet korrekt.“ Eiskalt ist die Diagnose von Guy Gistau. Zumindest ist die Kältemaschine außer Verdacht. Er hat seine Aufgabe erfüllt, am FRM II beginnen jetzt die Arbeiten, die Kalte Quelle auszutauschen. Und Guy Gistau reist jetzt doch noch ins warme Korsika und auch dort wird er dem FRM II in Sachen Kalte Quelle weiterhin mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Weitere Informationen:
Webseite von Guy Gistau Baguer: http://www.cryoguy.com/

Andrea Voit

Presse- und Öffentlichkeits-
arbeit FRM II

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