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25.11.2015

Neutronen zeigen Verteilung von Flussschlauch-Inseln

Gitterinterferometrie Gitterinterferometrie Für die Gitterinterferometrie sind drei solche Gitter aus Siliziumwafern nötig: Eines dient als Schlitzblende, eines als Phasengitter zur Brechung des Neutronenstrahls und das dritte misst das Beugungsmuster. Die drei Gitter sind in Kombination mit dem Instrument ANTARES am FRM II zu benutzen. © T. Reimann / TUM

Für die Gitterinterferometrie sind drei solche Gitter aus Siliziumwafern nötig: Eines dient als Schlitzblende, eines als Phasengitter zur Brechung des Neutronenstrahls und das dritte misst das Beugungsmuster. Die drei Gitter sind in Kombination mit dem Instrument ANTARES am FRM II zu benutzen. © T. Reimann / TUM

Normalerweise verdrängen Supraleiter angelegte Magnetfelder. Im Inneren von Typ-II-Supraleitern bilden sich aber dünne Kanäle, so genannte Flussschläuche, durch die das Magnetfeld geleitet wird, während das restliche Material feldfrei und supraleitend bleibt. In der Regel verteilen sich die Flussschläuche gleichmäßig. In dem Metall Niob hingegen bündeln sich die Flussschläuche zu kleinen Inseln zusammen und bilden dabei komplexe Muster, welche in ähnlicher Form zahlreich in der Natur anzutreffen sind. Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI der Technischen Universität München (TUM) haben als Erste Neutronenexperimente zur Untersuchung dieser Strukturen in Niob durchgeführt und dabei die Verteilung der Inseln im Detail sichtbar gemacht. Die Forscher erhoffen sich mit ihrem experimentellen Ansatz die Entstehung solcher universeller Strukturen in Zukunft besser zu verstehen. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Supraleiter können elektrischen Strom ganz ohne Widerstand leiten, was sie unter Anderem zu vielversprechenden Materialien für alle Anwendungen macht, bei denen Strom verlustarm über lange Strecken transportiert werden soll. Doch Supraleiter haben noch weitere Eigenschaften, die sie zu spannenden Objekten für die Grundlagenforschung machen. So verdrängen sie zum Beispiel Magnetfelder. Bringt man sie in die Nähe eines Magneten, dringt das Magnetfeld nicht ein, sondern wird um den Supraleiter herumgeleitet. Wird das äußere Magnetfeld weiter erhöht, verliert das Material ab einem bestimmten Feldwert seine supraleitenden Eigenschaften. In speziellen, so genannten Typ-II Supraleitern, gibt es allerdings einen Kompromiss zwischen Supraleitung und Feldverdrängung. Es bilden sich in ihrem Inneren dünne Kanäle – sogenannte Flussschläuche – in denen das Magnetfeld durch den Supraleiter hindurch fliessen kann. Ausserhalb der Flussschläuche bleibt das Material dahingegen supraleitend.

Inseln aus Flussschläuchen
Nun haben Forscher des Paul Scherrer Instituts PSI und der Technischen Universität München (TUM) intensiv die Anordnung und Verteilung der Flussschläuche in dem supraleitenden Metall Niob untersucht und diese erstmalig im Inneren massiver Proben sichtbar gemacht statt nur an der Oberfläche. Dabei zeigen Flussschläuche in Niob ein besonderes Verhalten: sie verteilen sich nicht gleichmässig in dem Material, sondern finden teilweise zu komplex geformten Inseln zusammen, zwischen denen sich Bereiche ohne Flussschläuche befinden (Fachleute sprechen von der Intermediate-Mixed-State).

Die Wissenschaftler haben unmittelbar gezeigt, in welchen Teilen der Niob-Probe die Flussschlauch-Inseln auftreten und wie sich deren Struktur mit wachsendem Magnetfeld verändert. An der Neutronenquelle SINQ PSI sowie der Forschungsneutronenquelle FRM II der TUM setzten sie dafür Neutronen in verschiedenen Experimenten als Messsonde ein. Sie schickten jeweils einen Strahl von Neutronen durch das untersuchte Material und beobachteten, wie die Neutronen auf ihrem Weg abgelenkt wurden. Neutronen eignen sich für diese Untersuchungen in besonderem Maße, da sie in einzigartiger Weise durch die magnetischen Flussschläuche im Material abgelenkt werden. In ersten Experimenten maßen die Forscher diese Ablenkung sehr genau und konnten daraus die Größe der Inseln abschätzen und die Anordnung der Flussschläuche zueinander ermitteln. Die verwendete Methode ist unter dem Namen Kleinwinkelneutronenstreuung bekannt, da die Neutronen hier nur schwach abgelenkt werden. Ob die Inseln gleichmässig über das ganze Material verteilt oder in einzelnen Bereichen konzentriert sind, ließ sich dabei aber nicht feststellen.

Feine Gitter machen Mikrometerstrukturen sichtbar
Um die Verteilung der Flussschläuche dennoch sichtbar zu machen, verwendeten die Forscher von PSI und TUM eine neue Methode, die auf dem Prinzip der Gitterinterferometrie mit Neutronen beruht. Dabei werden bei dem Experiment die Neutronen durch mehrere Gitter, also Anordnungen sehr feiner Streifen, die für Neutronen abwechselnd durchlässig und undurchlässig sind. Hinter den Gittern bildet sich ein Überlagerungsmuster, in dem abwechselnd Bereiche mit vielen oder wenigen Neutronen auftreten. Indem man nun betrachtet wie sich das Muster ändert, wenn man eine Probe in den Strahl stellt, kann man auf die Strukturen im Inneren der Probe schliessen. „Die Gitterinterferometrie ermöglicht uns, Strukturen in einem Grössenbereich von einigen Mikrometern – also so gross wie die Flussschlauchinseln – ortsaufgelöst zu untersuchen“, erklärt Christian Grünzweig, der am PSI für das Experiment zuständig ist und dort die Gitterinterferometrie mitentwickelt hat. Mit dieser Methode war es möglich die räumliche Verteilung der Flussschlauch-Inseln abzubilden, obwohl diese kleiner sind als einzelne Pixel des Detektors und daher eigentlich nicht sichtbar gemacht werden könnten. Überraschenderweise zeigte sich, dass sich die Inseln nicht am Rand, sondern im Inneren der Probe bilden.

Inseln als Modelsystem
„Im Niob bilden die Flussschläuche und deren übergeordnete Inseln typische Strukturen und Muster, die in ähnlicher Weise in vielen physikalischen sowie chemischen Systemen auf verschiedensten Längen- und Zeitskalen vorkommen etwa in magnetischen Domänen, bei Mikrostrukturen in Legierungen oder in chemischen Diffusionsreaktionen“ erklärt Tommy Reimann, Doktorand an der TUM und Erstautor der Studie. „Durch Änderung des Magnetfeldes oder der Temperatur kann man die Entstehung solcher Muster im ‚Modellsystem‘ Niob auf einzigartige Weise studieren und generelle Schlussfolgerungen über die Entstehung solcher Muster ziehen“. Gleichzeitig, so betonen die Autoren, eignet sich der in dieser Studie präsentierte experimentelle Ansatz zur Untersuchung fast aller Systeme, welche Strukturen im Mikrometerbereich entwickeln.

Text: Andreas Battenberg / TUM

Kontakt:
Tommy Reimann,
Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz und Physikdepartment E21,
Technische Universität München,
Telefon: +49 89 289 11769;
E-Mail: tommy.reimann@frm2.tum.de

Originalveröffentlichung:
T. Reimann, S. Mühlbauer, M. Schulz, B. Betz, A. Kaestner, V. Pipich, P. Böni, and C. Grünzweig; Visualizing the morphology of vortex lattice domains in a bulk type-II superconductor; Nature Communications 6, Article number: 8813, doi:10.1038/ncomms9813

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