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24.05.2017

Neutronen helfen zwei wertvolle Holzfiguren zu retten

St. Salvator St. Salvator Vor allem am Kopf der Bekrönungsfigur St. Salvator waren die Schäden durch die unsachgemäße Restaurierung gut sichtbar. © Rathgen-Forschungslabor

Vor allem am Kopf der Bekrönungsfigur St. Salvator waren die Schäden durch die unsachgemäße Restaurierung gut sichtbar. © Rathgen-Forschungslabor

Restauratoren haben oftmals mit negativen oder gar schädlichen Folgen von Erhaltungsmaßnahmen aus früheren Jahren zu kämpfen. Das traf auch die Gemeinde der St. Laurentiuskirche in Tönning/Schleswig-Holstein, bei der zwei wertvolle Holzfiguren aus dem beginnenden 18. Jahrhundert durch eine frühere Holzschutzmittel-Behandlung entstellt wurden.

Die beiden Holzfiguren waren 1903 mit Steinkohlenteeröl (Carbolineum) konserviert worden. Damals durfte das Carbolineum noch gegen Holzschädlinge eingesetzt werden; heute gelten die darin enthaltenen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffverbindungen (PAKs) als krebserregend und umweltschädlich. Sie dürfen daher nur noch in sehr wenigen Spezialfällen eingesetzt werden. In diesem Fall wiesen die Figuren im Laufe der Zeit außen nicht nur unregelmäßige schwarze Flecken auf, sondern rochen auch wegen des Steinkohlenteeröls sehr stark und unangenehm. Die Wissenschaftler aus der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM), dem Rathgen-Forschungslabor, dem Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein, der Hochschule für Bildende Künste Dresden, dem Landeskirchenamt der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland und der Restaurator Markus Freitag hatten also bei den beiden Figuren sowohl mit einem optischen wie einem gesundheitlichen Problem zu kämpfen und waren auf der Suche nach einem geeigneten Dekontaminationsverfahren. Die äußerlich sichtbaren Flecken legten außerdem den Verdacht nahe, dass das Biozid im Innern ungleichmäßig stark verteilt war.

Reyer-Epitaph Reyer-Epitaph Especially at the head of the St. Salvator figure, the damage caused by the improper restoration was clearly visible. © Rathgen-Forschungslabor

Especially at the head of the St. Salvator figure, the damage caused by the improper restoration was clearly visible. © Rathgen-Forschungslabor

Die Kunstwerke wurden zunächst mit Röntgenradiographie und Computertomographie untersucht. Um Bilder aus dem Innern der Holzfiguren zu erhalten, genügten die Röntgenaufnahmen nicht, weil sie die geringen Kontraste zwischen Holz und Biozid nicht sichtbar machen konnten, denn beide sind sehr wasserstoffhaltig. Die Antiquitäten hatten ein ansehnliches Volumen, weshalb hier schnelle Neutronen notwendig waren. Thermische Neutronen hätten nicht ausreichend Energie gehabt, und wären wegen des hohen Wasserstoffgehalts nur wenige Zentimeter eingedrungen. Die Figuren kamen deshalb an das MLZ nach Garching, um am Instrument NECTAR mit schnellen Neutronen untersucht zu werden.

Diese Aufgabe war jedoch auch mit Neutronen nicht ganz einfach, denn zunächst musste untersucht werden, ob die Unterschiede zwischen Holz und Biozid tatsächlich sichtbar gemacht werden können. Dann war auch die Frage zu klären, wie dick das Holz höchstens sein darf. Die Wissenschaftler des Instituts für Radiochemie der TU München und der BAM machten deshalb Vorversuche mit unterschiedlich dicken Hölzern und verglichen einige ihrer gewonnenen Bilder auch mit Röntgenaufnahmen um die Unterschiede genauer sehen zu können. Es zeigte sich, dass trotz einer dicken Stahlplatte die Jahresringe des Holzteils und die mit Plastilin verfüllten Löcher im Holz gut sichtbar waren – bis zu einer Dicke von etwa 50 cm. Bis zu einer Holzstärke von 2 cm hätten die Wissenschaftler solche Details auch mit den energieärmeren thermischen Neutronen erkennen können.

Ziel war es, die Dichteverteilung des Biozids in den Figuren mit Neutronen sichtbar zu machen und für die strukturellen Details die Röntgentomographie zu benutzen. Dieses Ziel wurde erreicht: Auf den Neutronenaufnahmen war die Verteilung des Steinkohlenteeröls in und auf den beiden Figuren gut zu sehen, die Röntgenaufnahmen zeigten ein paar andere Details, die wohl Calcium enthielten und mit den Neutronen nicht zu sehen waren.

Konnten die beiden Figuren denn schließlich unter denkmalschützerischen Gesichtspunkten gerettet werden?
Dazu Dr. Amélie Nusser vom Rathgen-Forschungslabor und Mitautorin der Publikation: „Die Holzfiguren konnten dank der Experimente und weiterer chemischer Analysen durch Dampfphasen-Extraktion mit Dichlormethan nahezu vollständig von dem gesundheits- und umweltschädlichen Carbolineum dekontaminiert werden. In Zukunft sollte eine weitere Optimierung des Extraktionsmittels erfolgen, um ölgebundene Fassungen erhalten zu können. Weiter sollte eine Anlage, ähnlich der Knochenentfettungsanlage konstruiert werden, die mit einem optimierten, für die Fassung schonenden Lösungsmittel bzw. -gemisch betrieben werden kann.“

Originalpublikation:

Kurt Osterloh, Sanjeevareddy Kolkoori, Amelie Nusser, Andreas Schwabe, Thomas Bücherl; Neutronen-Computer-Tomographie für Konzepte zur Dekontamination von mit Bioziden behandelten hölzernen Artefakten, Restaurierung und Archäologie 8

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